Schlagwort: CSD Pforzheim 2025

Über das Neinsagen

Ambition und Inspiration

Vor einigen Wochen habe ich versprochen, meinen eher nachdenklichen Redetext aus Pforzheim nachzureichen. Kurz, bevor sich der süddeutsche Teil des Vereins in die Stuttgart Pride stürzt, ist mir aufgefallen, dass das noch aussteht.

So ein Text fällt nicht vom Himmel. Zunächst hatte ich mich entschieden, nicht einfach politische Forderungen aufzustellen. Es war absehbar, dass andere auf der Bühne das tun würden. Nicht, dass wir keine politschen Forderungen hätten. Einige davon sind im Posting zum diesjährigen Internationalen Asexuality Day nachlesbar.

Gleichzeitig war mir klar, dass es nötig wäre, eine ace und aro Präsenz zumindest in Ansätzen zu erklären. Warum sind wir bei so einer Veranstaltung? Was trennt, was haben wir mit anderen Anwesenden gemeinsam? Wie viel Trennung wollen wir zulassen?

Diese Überlegungen wurden durch Lesestoff der letzten Monate befeuert. Daher ein paar Buchhinweise.

Zum einen Audre Lorde, die sowohl zum Thema Selfcare als auch zum Thema gewaltfreier Widerstand kluge Dinge geschrieben hat. Und zu einigen anderen Dingen auch. Die Aufsatzsammlung Sister Outsider ist äußerst empfehlenswert, auch wenn zeitbedingt trans Themen wenig vorkommen. Die deutsche Übersetzung ist bei Penguin/btb erschienen.

Cornelia Fleck hat Audre Lorde und andre Quellen genutzt, um in Queerfulness (beim Quer Verlag) Ideen für eine solidarische Protestkultur darzulegen. Ganz ohne Sara Ahmed, die in The Promise of Happiness aber zu ähnlichen Schlüssen kommt.

Und damit zum eigentlichen Text.


Über das Neinsagen: Textentwurf

Ich gehöre zu dem ziemlich lila Infostand da hinten: Das ist AktivistA, der Verein zur Sichtbarmachung des asexuellen Spektrums.

Als wir 2012/2013 mit Infoständen und Demogruppen angefangen haben, auf den CSDs in Stuttgart und Karlsruhe, und auch auf dem transgenialen CSD in Berlin-Kreuzberg, da waren viele andere Besuchende erst mal irritiert. Denn wenn ich es ganz kurz fassen müsste: Wir sind das Nein.

Nein, ich blicke nicht, warum mich die Genitalien anderer Menschen interessieren sollten, und ich habe keine Ambitionen, die anzufassen.

Nein, ich verstehe nicht, warum alle so auf romantische Paarbeziehungen abzufahren scheinen und irgendwen zu ihrem Ein und Alles erklären möchten.

Derartige Neins könnte ich noch ausdifferenzieren. Aber dafür ist die Redezeit zu kurz, und an unserem Infostand gibt es das alles auch zum Nachlesen.

Im Lauf der Zeit haben die meisten mit Fragezeichen in den Augen verstanden, dass unser Nein sich nicht so sehr von ihrem Nein unterscheidet.

Nein, in diesen Traum vom normalen Glück mit Hetero-Beziehung und allem, in den passe ich leider nicht rein. Ich brauche eine Maßanfertigung, gern in Lila, mit viel Glitzer und Pailletten.

Ich glaube, die meisten von uns wissen, dass solche Neins nicht einfach zu äußern sind.

Manchmal ist es zum Beispiel für Teenies der Weg des geringsten Widerstands, irgendeine hetero-genehme Schwärmerei zu erfinden, statt zu sagen: Ich steh nicht auf Mädchen. Oder: Ich steh nicht auf Jungs. Oder: Ich finde Jungs und Mädchen interessant. Oder: Ich blicke nicht, was ihr mit „heiß“ meint.

Genauso ist es einfacher, einen rassistischen, ableistischen, sexistischen oder queerfeindlichen Spruch wegzulächeln, statt zu sagen: Du trittst gerade nach unten, und das ist nicht witzig.

Solche Neins kosten Kraft.

Aber es gibt einen Grund, warum patriarchale Gesellschaften Frauen gern vereinzeln. Es gibt einen Grund, warum Nazis und Rechtsaußen und religiöse Fundis gegen CSDs protestieren und versuchen, uns aus dem öffentlichen Raum zu vertreiben:

Die haben Angst. Die haben Angst vor unserem Nein.

Kultur ist immer eine Sache der gesellschaftlichen Aushandlung, und genau diese Aushandlungen, diesen Diskurs wollen sie verhindern. Denn unsere bloße Anwesenheit enttarnt die Angst, die Pluralität, Veränderung und Mehrdeutigkeiten in ihnen auslösen. Unser Nein stört die Grenzen, die sie ziehen möchten. Diese sauberen Grenzen brauchen sie, um sich dann gut, sicher und gerecht zu fühlen und sich auf der obersten Stufe der Hierarchie breit zu machen.

Weil sie Angst haben, verbreiten sie Angst. Sie fabulieren Bedrohungen zusammen. Diese Märchen verpacken und verbreiten sie dann so geschickt, dass ungefähr 25 % Prozent des Wahlvolks in diesem Land ihre Vernunft und ihre Empathie ausschalten.

Und dann wollen sie uns noch einreden, dass es wieder besser würde, wenn nur LGB das TIQplus unter die Räder des Faschismus kommen ließe.

Mal ist die Angstmache von rechtsaußen und von religiösfaschistischer Seite sehr direkt, indem sie uns und unsere Lieben mit Worten und Taten bedrohen. So auch heute.

Und denen ist entlarvenderweise egal, welche Buchstaben wir benutzen.

In Anbetracht dieser Tatsache kann ich nur sagen: Danke, dass ihr trotzdem da seid und mit uns demonstriert!

Ich weiß, unsere Neins kosten Kraft, aber sie haben in der Vergangenheit was gebracht. Der allererste Christopher Street Day war ein Aufstand gegen die Obrigkeit, für den wir heute dankbar sind.

Auf Dauer bringt es aber nichts, Pflastersteine zurückzuwerfen: Zwischen verhärteten Fronten bleibt am Ende für alle nur ein Scherbenhaufen.

Ja, wir haben manchmal Angst. Und nein, lassen wir uns davon nicht kirre machen. Entscheiden wir uns für Solidarität statt Egoismus. Seien wir kreativ statt restriktiv. Und statt uns ins Ewiggestrige zurück zu wünschen: Seien wir bereit, die Zukunft mit radikaler Zärtlichkeit zu gestalten.

Danke!

CSD Pforzheim 2025: Weich wie geschmolzener Kruppstahl?

Der dritte CSD in Pforzheim gestern präsentierte sich mit ähnlichem Wetter wie der erste: Größtenteils wolkenlos und richtig, richtig heiß. Es hatten sich mehr Stände angemeldet als die letzten beiden Jahre. So kam AktivistA ins zweifelhafte Vergnügen, den ganzen Nachmittag über Sonne im Zelt zu haben — bei 34 Grad Außentemperatur brutzelten wir da ungemütlich vor uns hin.

Ein Meer aus kleinen Pride-Flagen, die in Kuchenstücken stecken.
Es gab, dank einer sehr coolen Person, veganen Kuchen.

Unser verhältnismäßig früher Aufbruch um 18 Uhr war dennoch der Temperatur und der dadurch geringen Publikumsfrequenz geschuldet. Vorher freuten sich Menschen über unsere Anwesenheit, konnten teils zu AktivAro weiterverwiesen werden und auch das Material zur Disability und Mad Pride Bonn am 14. Juli fand Abnehmende.

Die Redebeiträge, darunter einer der Verfasserin dieser Zeilen, hatten leider ebenfalls wenig Publikum. (Der Redetext bekommt noch einen eigenen Post in den nächsten Tagen.) Dabei hatte sich dieses Mal sogar eine Vertretung der Stadtverwaltung auf die Bühne getraut, nämlich Kulturbürgermeister Tobias Volle. Das Rathaus hatte da die letzten beiden Jahre eher mit Abwesenheit geglänzt. Auch der musikalisch und inhaltlich sehr ansprechende Auftritt von Finna hätte mehr Feiernde verdient gehabt.

Corinna auf einer Bühne - ein bisschen lila und Glitzer auf dm Outfit, im Hintergrund die Gebärdendolmetschperson.
Mit ace Outfit auf einer großen Bühne.

Insgesamt blieb es friedlich auf dem Platz.

Ein Fakt, der sich auch anders hätte darstellen können, denn wegen eines Aufmarsches von Nazis (vulgo „Gegendemonstration“) gab es erhebliche Sicherheitsbedenken.

Etwa vier Wochen vor der Veranstaltung hatte eine Gruppe namens „Der Störtrupp“ oder auch „Störtrupp Süd“ (man beachte die Abkürzung) eben diese Gegendemonstration angemeldet. Das traditionale Kleinfamilienbild diente dafür als Aufhänger. Als weiße Familie gedacht — Personen of Color sind da nicht mitgemeint, wie der Bericht von queer.de beweist. Daraufhin mussten die Veranstaltenden von Spotlight e.V. das Sicherheitskonzept überdenken und mehr Geld für zusätzliche Security ausgeben. Bei einer Veranstaltung, die ohnehin schon wegen eines Sponsoring-Ausfalls finanziell auf der Kippe stand, eine echte Herausforderung.

Diesbezüglich möchten wir auf den Regenbogenschutzfonds für kleinere CSDs aufmerksam machen.

Die lokale bürgerliche Allianz gegen Rechts hatte zu einer Soli-Teilnahme am CSD aufrief, genauso wie der CSD Stuttgart. Hingegen hatte die linke, klassische Antifa wiederum zu eigenen Maßnahmen gegriffen, um den CSD zu schützen. Die Autorin dieser Zeilen meint, dass das einerseits ein nobles Ziel ist, andererseits wirkt es kontraproduktiv, wenn zu diesem Zwecke die Prügelei mit der Nazi-Demo gesucht wird.

… Seufz.

Ein paar Berichte: Filmbeitrag beim SWR, die Pforzheimer Zeitung bei YouTube. Die Ansprache von Schirmchen Sookee ist leider nur auf Facebook oder Insta von Queer Space Pforzheim zu finden.

Und da die Verfasserin dieser Zeilen über ein T-Shirt mit der kuschligen Aufschrift „weich“ so begeistert war, dass sie nach dem Ursprung fragen musste: für überhitzte CSDs gibt es ein passendes Lied von Lumpenpack, das dann auch den Titel zum Beitrag lieferte.