Schlagwort: Transfeindlichkeit

Warum gehört das zweite A zum IDAHOBITA?

CN: Wiedergabe von trans- und acefeindlichen Meinungen und verschwörungserzählerischem Geschwurbel, Erwähnung von Pädokriminalität


Unser Sharepic zum IDAHOBITA: In der Mitte das Logo des Aktionstags, ein lila Dreieck mit dem Ausrufezeichen und dem Untertitel "International Day against Homophobia, Transphobia and Biphobia, A Worldwide Celebration of Sexual and Gender Diversities, May 17". Außenrum der Titel unseres Beitrags, die CNs und das AktivistA-Logo.

 

Wieso soll denn da noch ein A rein?, werden sich auch dieses Jahr Menschen fragen. Die Diskussionen erleben wir online oder offline in aktivistischen Kontexten. Soll der 17.5. das bleiben, als was er gegründet wurde, nämlich ein Aktionstag gegen Homofeindlichkeit? So kommt die älteste Abkürzung zustande: International Day Against HOmophobia, kurz IDAHO. Mit den Jahren ergänzt wurden Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit, sodass dass das häufigste Akronym IDAHOBIT wurde, mal mit, mal ohne Plus. Als Verein, in dem ace und aro Menschen unterwegs sind und der mit anderen ace und aro Organisationen verbündet ist, kann AktivistA logisch auf ein zweites A nicht verzichten. Das queere Landesnetzwerk in Baden-Württemberg folgte sogar einem Aufruf aus Heidelberg und spricht vom IDAHOBALTI+, erinnert also neben der Aspec- auch an Lesbenfeindlichkeit.

Populären Annahmen zum Trotz gibt es Feindlichkeit gegen ace und aro Menschen, und tatsächlich erleben wir gerade live, wie diese Gruppen zum Hassobjekt von rechten und religiös-fundamentalistischen Gruppierungen im englischsprachigen Raum werden.

Sozusagen von 0 (wie unsichtbar) auf 100 zum Sündenbock für den vermeintlichen Untergang des christlichen Abendlands.

Was passiert da also seit 2021?

 

Schritt 1:

Es beginnt mit intuitiver Ablehnung als Reaktion auf Sichtbarkeit von bzw. Konfrontation mit besagter Minderheit, die in Form von Spott, Verleugnung und Entmenschlichung daherkommt.

Beispiele:

“Happy International Fake Oppression Day to everyone who wants complete strangers to know they don’t fancy a shag.”

(In etwa: „Fröhlichen Internationalen Tag der Pseudo-Unterdrückung für alle, die komplett fremden Menschen mitteilen wollen, dass sie keine Lust aufs Vögeln haben.“ – J. K. Rowlings Reaktion auf einen Tweet zum International Asexuality Day am 6.4.2025, siehe unter anderem unsere Reaktion)

 

“Well, humans aren’t asexual. Some animals are asexual. Komodo dragons and crayfish are asexual, but humans aren’t Komodo dragons and crayfish.”

(In etwa: „Nun ja, Menschen sind asexuell. Manche Tiere sind asexuell. Komodowarane und Süßwasserkrebse sind asexuell, aber Menschen sind weder Komodowarane noch Krebstiere.“ – Matt Walsh in einem Beitrag über Latoya Raveneau vom 9.4.2022, Quelle: https://theacecouple.com/episode085/)

Diese Reaktion kann unter anderem dadurch ausgelöst sein, dass man das Gefühl hat, die eigene Identität (als Frau/Mann/heterosexuelle cis Person) würde durch die bloße Existenz von Menschen, die anders sind, in Frage gestellt werden.

 

Schritt 2:

Statt die darauffolgende Kritik zum Nach- und ggf. Umdenken zu nutzen, sieht man sich im Recht und erfindet, in Ermangelung echter Gründe für die Ablehnung, Lügen über die Minderheit, teilweise mit pseudowissenschaftlichem Anstrich, die scheinbar harmlos beginnen, aber recht schnell in Verschwörungserzählungen wie die vom „Großen Austausch“ eingewoben werden. Je nach Erzählung hängt die Pharmaindustrie mit drin, da Asexualität angeblich wahlweise durch Impfungen oder durch Antidepressiva entstehe, oder man greift auf die „Groomer“-Vorwürfe der 1970er zurück. Für diejenigen, an denen die Debatten um Cybergrooming etc. vorbeigingen: „Grooming“ („Heranziehen“) beschreibt, wenn potentielle Täter sich in Missbrauchsabsicht stufenweise das Vertrauen von Minderjährigen erschleichen.

 

Beispiele:

“Puberty blockers probably stop sexual development so these kids will never have an orgasm. They’ll be asexual. [There will] be a growing community of asexual trans kids.”

(In etwa: „Pubertätsblocker halten die sexuelle Entwicklung an, also werden diese Kinder nie einen Orgasmus erleben. Sie werden asexuell sein. [Es wird] eine wachsende Community von asexuellen trans Kindern geben.“ Tweet als Reaktion auf die Ace Week im Oktober 2021, zitiert nach Sherronda J. Brown: https://prismreports.org/2023/01/13/acephobic-conspiracy-theories-transphobic-fascist-roots/)

 

„It is an ideological creep overlapping with transhumanism, transgender subcultures and online cult, with very aggressive policing of presentation and language, often promoting having sex with people you feel nothing emotional for. I believe it is about breaking boundaries and making people exposed to manipulative peers all whilst disconnected from parents and outsiders who are baffled by the novel terminologies. Shame and embarrassment are a way to keep people under control and will occur when children and young adults are forced to disavow their asexuality when they fall in love or pass puberty and have sexual feelings.“

(In etwa: „Es handelt sich um eine schleichende ideologische Verbreiterung, die überlappt mit Transhumanismus, trans Subkulturen und Onlinekulten, mit einer sehr aggressiven Kontrolle von Präsentation und Sprache, die oftmals dazu ermutigt, mit Menschen Sex zu haben, für die man keine Gefühle hegt. Ich glaube, dass es darum geht, Grenzen zu überschreiten und Menschen einer manipulativen Peergroup auszusetzen, während sie gleichzeitig getrennt werden von Eltern und Außenstehenden, die von den neuen Begrifflichkeiten verwirrt sind. Scham und Verlegenheit sind ein Weg, um Menschen zu kontrollieren und werden unweigerlich auftauchen, wenn Kinder und junge Erwachsene von ihrer Asexualität abschwören müssen, sobald sie sich verlieben oder nach der Pubertät sexuelle Gefühle entwickeln.“ Bryndis Blackadder in einem Blogbeitrag vom 9.5.2021, https://bryndisb.substack.com/p/asexuality-queering-the-mundane, Anmerkung der Übersetzerin: Das steht da wirklich so.)

 

„It is our opinion that conversations about asexuality may groom children to see enthusiastic consent as an optional extra; this is clearly a risk. […] He can use the cover of “I am an asexual so I have no sexual desire” to give the child a false sense of reassurance while he continues to groom her (or him).“

(In etwa: „Unserer Meinung nach könnten Gespräche über Asexualität dazu heranziehen, enthusiastischen Consent [zu sexuellen Handlungen] als optional zu betrachten; dies ist ein eindeutiges Risiko. […] Er kann ‚Ich bin asexuell und empfinde deshalb kein sexuelles Verlangen‘ als Tarnung verwenden, um dem Kind ein falsches Gefühl der Sicherheit einzuflößen, während er weiterhin Grooming betreibt‘.“ Safe Schools Alliance UK in einem Blog-Beitrag vom 2.11.2021 als Reaktion auf einen Facebook-Beitrag von Girlguiding UK zur Ace Week https://safeschoolsallianceuk.net/2021/11/02/girl-guiding-and-asexuality/)

 

 

Schritt 3:

Auf diese Weise entsteht nach und nach ein Bild der Minderheit als Bedrohung für die gesamte Gesellschaft im Allgemeinen und (weiße) Frauen und Kinder im Speziellen und einer angeblichen Gefahr für die Sicherheit letzterer und für den Fortbestand der (weißen) Zivilisation und des Status Quo. Gleichzeitig stellt man sich selbst als moralisch überlegenen Menschen dar, der das alles „nur für die Kinder“ tut.

 

Fazit

Seit einigen Jahren kann man beobachten, wie auf diese Weise öffentliche Hasskampagnen gegen asexuelle und teilweise auch aromantische Menschen entstehen, und wie ihnen dieselben Dinge unterstellt werden, die auch schon anderen queeren Menschen unterstellt wurden und werden.

Aces und Aros sind also von derselben Queerfeindlichkeit betroffen wie alle anderen, die nicht hetero und/oder nicht cis sind.

Genau deswegen braucht und hat der IDAHOBITA/IDAHOBALTI+ ein zweites A.

 

 

Weiterführende Links:

Rowlings Anti-Ace-Kommentare: eine klassische Strategie von Rechtsaußen

Dass der Internationale Tag der Asexualität (International Asexuality Day) sowie die Ace Week ihre Berechtigung haben, bewies pünktlich zum IAD 2025 J. K. Rowling. (Es berichteten z. B. Mannschaft und PinkNews.)

J. K. Rowling, international bekannte Anti-Trans-Aktivistin, teilte und kommentierte eine Infografik des britischen Switchboard-Hilfetelefons für queere Personen in Not. Switchboard hatte für den 6. April eine Kachel mit „International Asexuality Day“ gepostet. Der Rest der Infografik besagte in etwa: „Asexualität bedeutet, dass eine Person wenig bis keine sexuelle Anziehung verspürt. Asexuelle Menschen können tiefe emotionale Bindungen und Beziehungen aufbauen, aber empfinden sexuelle Anziehung nicht auf die übliche Art und Weise.“

Dies ist eine gelungene Kurzvorstellung des Konzepts „Asexualität“.

Die von Rowling geteilte Grafik.

In ihren eigenen Posts dazu bewies J. K. Rowling, dass sie diese Information entweder nicht gelesen, nicht verstanden oder willentlich ignoriert hatte. Sexuelle und romantische Orientierung wurden munter zusammengewürfelt. Was, um Laura Westford in Online-Magazin Medium zu übertragen, „ein weiteres homofeindliches Motiv aufgreift, welches homosexuelle/LGBT Menschen als ausschließlich sexuell und zu keinem Gedanken an Romantik und Liebe fähig darstellt.“

Rowling jedenfalls wünschte in etwa: „Einen frohen Pseudo-Unterdrückungstag allen, die völlig Fremde wissen lassen möchten, dass sie keinen Bock aufs Vögeln haben.“

In Großbritannien kann von Pseudo-Unterdrückung keine Rede sein. Laut einer jüngst veröffentlichten Befragung von 400 Personen durch das King’s College in London glauben immerhin 30 % der britischen Bevölkerung, dass Asexualität heilbar sei. Aus einem anderen Blickwinkel: Sie glauben, dass Konversionsmaßnahmen angebracht sind. Derartige Haltungen sind auch in Deutschland verbreitet, und zwar zu allen Minderheiten-Orientierungen. (Siehe erste Ergebnisse von „Unheilbar Queer“ beim BzgA.) Konversionsversuche können die Betroffenen krank machen und sogar Suizide befördern. Deswegen sollten verantwortungsvolle Therapeut*innen und Seelsorgende davon abraten.

Und passend zum von J. K. Rowlings geäußerten Missverständnis übers „Vögeln“ teilen zwischen 24 und 41 Prozent der Befragten aus der erwähnten Studie eine exklusionistische Meinung: Sex zu haben scheint ihnen mit einer asexuellen Selbstbeschreibung nicht vereinbar.

Derlei Fehlinformationen gefährden die Sicherheit und körperliche Unversehrtheit von Aces. Solange so viel Unkenntnis und Verachtung im Umlauf sind, werden wir den IAD und die Ace Week begehen müssen.

Eins beweist dieser Ausfall der an Ausfällen reichen Xitter-Historie Rowlings: Der Versuch, Hass auf trans und nichtbinäre Personen (wieder) zu staatlicher Politik zu machen, ist nur der Anfang. So wie die Trump-Administration versucht, das T aus dem klassischen „LGBT“ verschwinden zu lassen, so soll offenbar nun der Rest der mühsam erkämpften Buchstabenkette schwinden. Die Britische „LGB Alliance“ hat jedenfalls keine Lust, sich als „queer“ vereinnahmen zu lassen oder gar auf ein T oder ein Plus im Akronym. (Quelle: https://lgballiance.org.uk/dont-call-me-queer/, absichtlich kein Link.)

Dem Faschismus geht es am Ende darum, klare Kategorien zu schaffen und die Kernfamilie zu stärken, für immer neue Arbeitsbienen und Soldaten. Da kommen Feministinnen und lgb Personen, die gegen trans Personen wettern, genau recht. Und zwar genau so lange, wie sie sich instrumentalisieren lassen.  (Vergleiche dazu auch die Analyse von geschlechtmachtwissen bei Insta.)

Ganz nach dem Motto „teile und herrsche“ wird hier versucht, zwischen einzelne Gruppen der LGBTIQAPlus-Community Keile zu treiben. Seien wir uns dieser Tatsache bewusst und halten wir zusammen.

 

Edits 2025-04-11: Klarifizierung, was „Medium“ ist, Link für Switchoard ersetzt (es gibt in UK mindestens zwei queere Hilfetelefone dieses Namens).

Petition für respektvolle Berichterstattung über trans* Menschen

Einige Mitlesende werden es schon gemerkt haben: Konservative Kräfte und allerlei anderes Gelichter haben sich auf trans Menschen eingeschossen.

Schon vor dem Beginn dieser Tendenzen stand es mit der Berichterstattung über trans Menschen nicht gerade zum Besten. Deswegen haben sich der Bundesverband Trans, die dgti und andere Vereine zusammengetan, um daran etwas zu ändern. AktivistA n.e.V. unterstützt die Petition ebenfalls.

Wir teilen hier zuerst die Sharepics. Unten findet ihr den Fließtext dazu. Wer gleich unterschreiben will, klickt hier.

Gegen trans*feindliche Berichterstattung, für einen respektvollen und sachlichen Umgang!

Worum geht es?

Mit Besorgnis nehmen wir – Trans-Organisationen und Unterstützerinnen – problematische Tendenzen in der aktuellen Berichterstattung wahr: Zunehmend werden Medienbeiträge veröffentlicht, in denen von „Trans* als Trend“, von angeblich unsicheren Frauenschutzräumen, von einer sogenannten “Trans-Ideologie“ oder von „Mädchen, die keine Mädchen sein wollen” die Rede ist. Diese Berichterstattungen gehen soweit, die Existenz von trans Personen zur Debatte oder sogar in Frage zu stellen. Sie schüren Ängste und Hass gegenüber trans* Personen, ihrer rechtlichen Anerkennung und gesellschaftlichen Gleichstellung, indem diese als „gefährlich“ für die Mehrheitsbevölkerung dargestellt werden. Gleichzeitig erfahren trans* Personen überproportional viel physische und psychische Gewalt.

In der Darstellung von trans* Personen und auf trans* bezogene Themen mangelt es häufig an sorgfältiger Recherche und einer nuancierten Betrachtung der Diskriminierungen, mit denen trans* Personen konfrontiert sind. […] Wo es eine sachliche Auseinandersetzung und Aufklärung im Sinne einer demokratischen Gesellschaft und gleichgestellten Teilhabe bräuchte, tragen unkritisch übernommene Darstellungen zur Trans*feindlichkeit bei.

Meinungsfreiheit ist ebenso wie die Würde des Menschen höchstes Gut für eine demokratische Gesellschaft. Sie umfasst allerdings nicht nachprüfbar unwahre Tatsachenbehauptungen und sie endet mit der Verletzung der Menschenwürde. Genau hier setzt die Verantwortung der Medien für eine tatsachenbasierte und menschenwürdige Berichterstattung ein.

 

… Wie gesagt: Zur Petition geht es hier entlang.