Eine für uns außergewöhnliche Supportanfrage erreichte uns diesen Herbst: wissenschaftliche Konferenz statt Community-Konferenz. Uns überfiel zunächst ein wenig Unglaube. Ein wissenschaftliches Workshopwochenende ausgerechnet in Schland, wo die meiste Forschung zu Asexualität(en) auf Masterarbeits-Level läuft und Menschen mit Doktortitel aufwärts lieber woanders hinschauen? Die Schreibende dieser Zeilen konnte sich nach erfolgter Überzeugung, dass es sich nicht um einen Scherz handelte, ein gewisses Fangirling nicht verkneifen.
Ein paar Eckdaten: 6. und 7. Dezember 2025, Freie Universität Berlin.
Organisiert wird „On Asexualities. Crossdisciplinary Perspectives“ von Laurin Tirpitz und Ela Przybyło.
Wie die Überschrift schon sagt: Die alljährliche Befragung der ace Community mit Internetzugang ist eröffnet. Mittlerweile habt ihr 16 Sprachen zur Auswahl, darunter auch Deutsch.
Wobei, ein bisschen ist der Name irreführend: Neben Menschen aus dem asexuellen Spektrum und noch Unentschiedenen freut sich das Survey Team auch über Beteiligung von nicht-asexuellen Verbündeten. Mindestens 15 Jahre alt solltet ihr aber sein, wegen der Datenschutzrichtlinien bei der Uni, die das Projekt unterstützt.
Dass es etwa ein Prozent asexuelle Menschen gäbe, geistert seit 2004 durch die Medien- und die Aktivismuslandschaft. Die Zahl hat aufgrund ihrer Rundheit einen nicht unerheblichen Charme und wird häufig wiederholt. „So viele asexuelle Menschen, wie es Rothaarige gibt!“, heißt es dann, beispielsweise in einem neuen Podcast vom Bayerischen Rundfunk.
Und klar: Wenn ich erstens darauf hinweisen möchte, dass wir wirklich existieren, und zweitens ein bisschen politischen Rumms als Interessengruppe entwickeln möchte, ist so eine Zahl echt praktisch. (Wir nutzen sie auch.)
Aber stimmt sie?
Aces zählen ist wie Schäfchen zählen, nur schwieriger.
Wen zählen wir eigentlich wie?
Bevor wir uns die Ergebnisse der oftmals zitierten Arbeit von Bogaert aus dem Jahre 2004 anschauen, ist erst mal die Frage: Wer zählt überhaupt als asexuell?
Wahrscheinlich irritiert Außenstehende, dass es beim ace Schirmbegriff keine klaren Kategorien gibt sowie eine große Zahl ein Mikrolabeln. Das heißt, wenn ich abfragen will, wer sich alles zum ace Umbrella zählt, muss ich beim Umfragedesign gut aufpassen.
So sollte ich in Multiple-Choice-Bögen nicht die Option „asexuell“ anbieten, sondern eher so etwas wie „asexuelles Spektrum“, um wirklich alle Aces einzufangen. Andernfalls müsste ich eine Write-in-Möglichkeit anbieten — also ein leeres Feld, in das die Menschen ihre Selbstbeschreibung eintragen können. Die Auswertung von Write-ins ist recht zeitaufwendig und daher teuer.
Desgleichen muss ich bei Multiple Choice mindestens zwei Antworten zulassen. Eins kann ja beispielsweise demi-ace und schwul sein, etc. pp.
Mit so einer Methode werden im Idealfall Menschen erfasst, die sich als ace beschreiben.
Menschen, die sich eventuell auf dem asexuellen Spektrum verorten könnten, sich aber nicht so identifizieren, bleiben außen vor. Vielleicht haben sie das Wort gehört, aber nicht auf sich bezogen, oder sie kennen den Begriff nicht. Und Menschen, die sich nicht als ace beschreiben, obwohl sie theoretisch ins Spektrum passen würden, sind so ebenfalls nicht zu zählen. „Aces-in-potentia“ bleiben also unsichtbar.
Die nächste Frage: Über welche Personengruppe möchte ich Aussagen treffen? Die ace Community oder alle potentiellen Aces? Das sind zwei unterschiedliche Gruppen. Ergebnisse aus der einen Art Zählung dürfen nicht einfach auf Ergebnisse der zweiten Art Zählung übertragen werden.
Möchte ich potentielle Aces einfangen, muss ich mich auf Hilfsgrößen beziehen. Manche neuere Studien nutzen dafür die Asexual-Identification-Scale nach Yule und Brotto, die wahrscheinlich demi-ace und gray-ace Personen schlecht erfasst. Andere untersuchen, wie Bogaert damals, die Frage „Ich habe noch nie in meinem Leben sexuelle Anziehung gespürt.“
Wen hat Anthony Bogaert gezählt?
Wie ace_arovolution dankenswerterweise und detailliert aufzeigen, hat sich Bogaert auf Daten gestützt, die 1990/91 in Großbritannien von 18’876 Menschen zu sexueller Gesundheit erhoben wurden. Dazu gab es dann 1994 eine größere Veröffentlichung, die Bogaert 2004 noch einmal neu auswertete.
Ihm fiel auf, dass da etwa ein Prozent der Befragten eine kontraintuitive Auskunft gegeben hatten (genauer 1,05 %) auf die Frage: „Zu wem fühlen Sie sich sexuell hingezogen?“ Und eben diese 1,05 % gaben an, dass sie noch nie sexuelle Anziehung empfunden hatten.
Warum „kontraintuitiv“? Weil die meisten Menschen annehmen, dass alle Menschen sexuelle Anziehung empfinden – diese Annahme heißt mittlerweile Allonormativität.
Insofern ist denen, die die Umfrage vor 1990 entwarfen, ein großes Verdienst zuzuschreiben: Sie hatten sich von dieser Annahme nicht beeindrucken lassen und eine fast undenkbare Antwortmöglichkeit auf ihre Frage erlaubt.
Und für diese Antworten aus der britischen Erhebung kam Bogaert zu folgender Schlussfolgerung: Wenn wir Asexualität als lebenslange Abwesenheit sexueller Anziehung definieren, dann können wir 1,05 % der britischen Bevölkerung Asexualität zuschreiben.
Insofern stützt sich Anthony Bogaert auf eine Hilfsgröße, die die derzeitige ace Community sehr ungenau beschreibt.
Was das Ergebnis neben der runden Zahl so verführerisch macht, ist natürlich, dass Bogaerts Arbeitsdefinition und die Erklärung auf der englischen AVEN-Landingpage sich seit 2004 fast entsprechen.
Wenn wir uns also auf diese Studie beziehen, müssten wir korrekterweise immer dazuschreiben, was Anthony Bogaerts Arbeitsdefinition war, woher die Daten stammen (Großbritannien) und wie alt die Daten sind (über dreißig Jahre).
Gibt es neuere Zahlen?
Wenn wir nur Selbstbeschreibungen gelten lassen, gibt es drei neuere Studien mit akzeptabler Qualität – zumindest, was ich so gefunden habe oder auf das ich hingewiesen wurde – danke an Claudia Haupt vom EBGH.
Im Jahr 2018 gab es in Deutschland die Pilotstudie Liebesleben, bei der etwa 1155 Fragebögen ausgewertet wurden. Dort gaben 0,3 % der Befragten (alles Frauen) an, sich als asexuell zu beschreiben.
Aus Neuseeland gibt es Daten einer Erhebung aus den Zehnerjahren, die 2017 von Greaves und Mitarbeitenden veröffentlicht wurden. Hier hatten die Befragten eine Write-in-Option erhalten, die 0,4 % von ca. 11’000 Befragten für ace, ace-angelehnte und selten auch aro Selbstbeschreibungen nutzten – all diese wurden als „asexuelles Spektrum“ subsumiert.
Etwas neuer (von 2022) ist eine Veröffentlichung aus Belgien: Hier berichten De Schrijver und Mitarbeitende, dass sich 0,6 % der etwa 4600 Befragten bei einer nationalen Erhebung als asexuell beschrieben.
Und was heißt das jetzt?
Das eine Prozent (für westliche Gesellschaften) scheint etwas zu hoch gegriffen, wenn wir die ace Selbstbeschreibungen anschauen. Über nicht-westliche Gesellschaften können wir keine Aussage treffen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Zahl von selbstgelabelten Aces mit größerer Bekanntheit des Begriffs steigt, ist jedoch sehr hoch. Daher sehe ich persönlich vorläufig keinen Grund, unsere äußerst grobe Schätzung auf Eis zu legen, falls wir sie aus politischen Gründen brauchen.
Aber am Ende sollte es egal sein, wie viele Aces es genau gibt: Wir haben als asexuelles Spektrum allosexuellen Menschen einiges an Ideen zu bieten. Und eine menschenwürdige Behandlung sollte sowieso nicht davon abhängen, wie viele Personen nun einer gewissen marginalisierten Gruppe angehören.
ace_arovolution, Die Lüge, dass 1% der Welt asexuell sei. Oder: Niemand zitiert Bogaert richtig! Eine Tirade mit Fußnoten, veröffentlicht 24.01.2025 (https://acearovolution.webnode.page/l/die-luge-dass-1-der-welt-asexuell-sei/, zuletzt geprüft am 17.10.2025)
Bogaert, A. F. (2004). Asexuality: Prevalence and associated factors in a national probability sample. Journal of sex research, 41(3), 279-287. https://doi.org/10.1080/00224490409552235
De Schrijver, L., Fomenko, E., Krahé, B., Dewaele, A., Harb, J., Janssen, E., … & Keygnaert, I. (2022). An assessment of the proportion of LGB+ persons in the Belgian population, their identification as sexual minority, mental health and experienced minority stress. BMC Public Health, 22(1), 1807. https://doi.org/10.1186/s12889-022-14198-2
Greaves, L. M., Barlow, F. K., Huang, Y., Stronge, S., Fraser, G., & Sibley, C. G. (2017). Asexual identity in a New Zealand national sample: Demographics, well-being, and health. Archives of sexual behavior, 46, 2417-2427. https://doi.org/10.1007/s10508-017-0977-6
Liebesleben. Matthiesen S, Dekker A, Brunner F, Klein V, Martyniuk U, Schmidt D, Wendt J, Briken P (2018). Sexuelles Verhalten, Einstellungen und sexuelle Gesundheit in Deutschland. Erste Ergebnisse einer Pilotstudie zur Erwachsenensexualität. https://gesid.eu/wp-content/uploads/2018/09/Endbericht-Pilotstudie-2017.pdf(zuletzt geprüft 25.1.25)
Yule, M. A., Brotto, L. A., & Gorzalka, B. B. (2015). A validated measure of no sexual attraction: the Asexuality Identification Scale. Psychological Assessment, 27(1), 148.
Pünktlich zur Frankfurter Buchmesse erschien von Maria Popov das Buch „Kein Bock Club. Warum wir auch mal keine Lust auf Sex haben“.
Maria Popov ist bekannt von der Aufklärungsreihe „Auf Klo“ bei YouTube und arbeitet als Moderatorin und Journalistin, zum Beispiel bei 3sat.
Wer rezensiert hier? Eine weiße aroace cis Frau mit zwei Sachtexten über das asexuelle Spektrum bei Kleinverlagen.
Das Rezensionsexemplar ist echt selbst gekauft.
Worum geht’s?
Ein bisschen irritierte mich zunächst, dass auf dem Klappentext eine andere Beschreibung steht als online. Während „Asexualität“ auf dem hinteren Buchdeckel ziemlich prominent den ersten von zwei Absätzen beendet, ist das online anders:
Sexuelle Lust gilt als Maßstab für Intimität, Beziehungsqualität und persönliche Erfüllung. Doch was passiert, wenn sie ausbleibt? Wenn wir keinen Bock auf Sex haben, obwohl »eigentlich alles stimmt«? Wenn »Ich bin müde« nur eine Umschreibung für etwas ist, das wir selbst kaum benennen können?
Schon in ihrer Jugend hatte Maria Popov nie richtig Bock auf Sex mit Männern und stößt auf ein Wort, das ihr Gefühl zum ersten Mal beschreibt: Asexualität. Aber was heißt das eigentlich genau? …
Der Online-Text ist ehrlicher, aber immer noch etwas irreführend, denn um Asexualität als Orientierung geht es kaum. Zwar wird ein wenig ace Literatur zitiert, aber insgesamt ist „Kein Bock Club“ eher als Gesellschaftskritik angelegt. Also: Was hat Sexualität mit Macht zu tun? Und was Sex-Positivität mit Kapitalismus? Welche Erwartungen werden an (cis) Frauen und Männer herangetragen? Was hat Pornographie damit zu tun? Muss ich in Beziehungen dauernd Bock auf Sex haben? Wieso sorgen sich manchmal Medien darüber, dass die Jugend weniger Sex hat als noch vor zehn Jahren? Was können wir von Aces und Aros lernen?
Unter anderem plädiert Maria Popov dafür, sich die Friendzone zurückzuholen, unser Männerbild aufzuweiten (was durchaus auch Männern helfen könnte, sich in der Postmoderne besser zurechtzufinden) und für den Mut, Sex aus dem Mittelpunkt zu rücken.
Der Text streift einige wichtige Themen, ohne sie zu sehr theoretisch zu vertiefen und zu viele Fremdwörter zu verwenden. Der Text sollte sich auch für Uneingeweihte flüssig lesen und kommt ohne laute Schuldzuweisungen aus. Danach kann ihn eins entweder abhaken oder mit den angegebenen Stichworten vertiefen. Dass hinterher wer auf die Barrikaden geht, wage ich zu bezweifeln.
Für wen ist das eigentlich?
Kurz: Eher nicht für Menschen, die regelmäßig a*spec Podcasts hören oder eins von den erhältlichen englischsprachigen oder deutschsprachigen Sachbüchern gelesen haben, es sei denn, sie interessieren sich für die sexuelle Rezession.
Außerdem ist das Buch ungeeignet für Menschen, die etwas über die ace und aro Community lernen wollen oder ace oder aro questioning sind.
Super geeignet scheint es mir für vom Feminismus und Heterobeziehungen enttäuschte allosexuelle Personen. Sowie für alle, die sich um die Frage sorgen, warum industrialisierte Gesellschaften einem kollektiven, aber teils unbewussten Sexstreik (und damit Gebärstreik) immer näher rücken zu scheinen.
Erstes Manko: Quellen
Ich finde die Quellenangaben teils etwas spärlich. Zum Beispiel werden verschiedene Anziehungsformen vorgestellt. Ein Hinweis, wo sich mehr zum Split Attraction Model nachlesen lässt, fehlt aber, ebenso wie der Name dieses Konzepts. Butch-Femme-Dynamiken werden angerissen und gefühlt tendenziell verurteilt, was ich für die Butches, die ich kennenlernen durfte, nicht so toll finde. Auch da vermisse ich Belege – oder halt den Hinweis, dass es sich um Erfahrungswissen handelt.
Sexualnormen im Islam werden recht differenziert behandelt, aber so etwas bei einem derart aufgeheizten Thema ohne Quelle stehen zu lassen, erscheint mir nachlässig.
Zweites Manko: Willkommen im Club?
Trotz einiger wertvoller Quellen und Ideen bleibt ein Geschmäckle, wie eins im Süddeutschen sagt. Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob die ace und aro Community, so wie ich sie kenne, zum Club gehört, der im Buch beschrieben ist.
Auf Seite 135: „Seit einigen Jahren gibt es zum Glück neue Studien und Bücher zum Thema Asexualität, wenn auch meistens im englischen Sprachraum …“
Was ist unsere Bücherliste? Leberwurst? Selbst wenn eins die nicht findet oder zu veraltet findet, reicht es aus, bei einem Online-Buchhandel der Wahl „Asexualität“ zu suchen und einige Sachtexte und Belletristik ausgeworfen zu bekommen. Genauso fehlt ein Hinweis auf die mit viel Liebe und Zeit ehrenamtlich erstellten a*spec Podcasts. Ist ja nicht so, als hätte das Buch am Ende nicht 9 (!) freie Seiten, auf denen „Zum Weiterlesen und -hören“ stehen könnte.
Desgleichen Seite 207 über alternative Beziehungsformen: „Die aromantische Community hat viele Konzepte entwickelt, die nicht nur für sie selbst, sondern für alle Menschen bereichernd sein können.“
Ist die aro Community damit dem „Kein Bock Club“ zuzurechnen? Ich bin mir nicht sicher. Einerseits schön, dass die aro Community separat genannt wird, andererseits erscheint es mir ein wenig wie die Reproduktion von Ausschlüssen. Statt Aros zu vereinnahmen, wie oft an der ace Community bemängelt, dürfen sie gar nicht mitspielen oder sind nur als Stichwortgebende erwünscht.
Insgesamt fühlt es sich beim Lesen nicht so an, als hätte da wer großen Bock auf die a*spec Community. Dazu sind wir eventuell nicht cool genug – wir sind insgesamt eher nerdig drauf und haben Mastodon statt Tiktok! Außerdem posaunen wir manchmal Informationen über loveless und aplatonische Personen raus, die nicht zum Plädoyer für die kuschelige Friendzone passen.
Konzepte abgreifen geht also, aber die Quellen und damit die jahrelange Wissensproduktion in der Community zu würdigen, scheint nicht nötig. Was es dann erschwert, sich mit allen anderen im „Kein Bock Club“ zu verbünden, die nicht ace sind, sondern aus anderen Gründen dauerhaft oder zeitweilig keine oder wenig oder selten Lust auf Sex haben. Obwohl es dringend nötig wäre.
Zurück bleibt ein ambivalentes Gefühl: Ein informatives Buch, das ein wenig Solidarität vermissen lässt. Gefühlt irgendwie typisch für die Zeit seit 2020.
Geschichten aus dem gray-ace und grausexuellen Spektrum sind selten. Umso größer war unsere Freude, als uns die Bitte erreichte, grausexuelle Memoiren auf unserer Seite teilen zu dürfen.
Dabei bitte aufgepasst: Es geht mit einem Kopfsprung in die Lebensrealität eines schwulen Ledermannes, daher stellen wir diesem langen Text einige Inhaltswarnungen voraus. Bitte schaut sie euch gut an und entscheidet dann, ob und in welcher Situation ihr das lesen möchtet. Dennoch findet ihr hier keine erotischen Szenen.
Der Text steht außerdem unter Urheberrecht. Fair zitieren dürft ihr natürlich, aber Kopieren und Einfügen in größerem Stil ist auch für nichtkommerzielle Zwecke verboten.
Inhaltshinweise: Nennung und Beschreibung von sexuellen Praktiken v. a. aus der schwulen Lederszene, Wiedergabe von Vorurteilen gegenüber introvertierten Personen, Wiedergabe von Vorurteilen gegenüber Personen auf dem Autismus-Spektrum, Wiedergabe von Vorurteilen gegenüber asexuellen Personen.
Der Text ist autobiographisch. Insofern wird er nicht immer die offiziell vertretene Meinung von AktivistA n.e.V. oder sonst einer Organisation wiedergeben.
Neuer Herbst, neue Ace Week! Sie dauert dieses Jahr vom 19. bis zum 25. Oktober.
Wir haben ein paar Hinweise für euch und eine Überraschung für euch geplant.
Was ist die Ace Week?
Die Ace Week gibt es seit 2010. Damals hatte sie den Titel „Asexual Awareness Week“. Das meint eine Woche, um besonders auf das asexuelle Spektrum aufmerksam zu machen. Seitdem ist einiges passiert: Mittlerweile ist „ace“ eine anerkannte Abkürzung für das asexuelle Spektrum. Nicht nur wir empfinden es als inklusiver, deswegen wurde der erste Teil des Titels geändert.
Und es geht um noch viel mehr, als auf uns aufmerksam zu machen. Die Frage nach der „Awareness“ ist in den Hintergrund gerückt und deswegen aus dem Titel verschwunden. Längst sind wir mit reiner Sichtbarkeit nicht mehr zufrieden. Wir kritisieren gesellschaftliche Normvorstellungen und fordern eine Gesundheitsversorgung, die Asexualität nicht als einen Krankheitswert an sich betrachtet.
Anderweitig könnt ihr uns und unsere Arbeit mit einer Mitgliedschaft oder einer Spende unterstützen. Wir sind gemeinnützig, die Spenden könnt ihr daher von der Steuer absetzen.
In dieser Woche ist auch Zeit für Vernetzung und für Diskussionen untereinander. Und vielleicht auch ein bisschen Platz zu feiern.
Was wird los sein?
Auf dem Aspec*German-Discord ist wieder einiges Programm. Beim Aktivismus-Austausch am Dienstag 21.10. um 20 Uhr wird auch wer von AktivistA dabei sein und sich löchern lassen. (Link zum Mastodon-Post. Auch, falls der Alt-Text nicht funktioniert.)
Offline hat @paqtkoeln am 25.10. eine Aspec-Demo in Köln angekündigt! Demonstrierende treffen sich am Neumarkt um 14 Uhr.
Wir haben für den Sonntag einen längeren Post geplant und werden uns außerdem mit einem Sachbuch auseinandersetzen, das seit einer Woche durch jeden Kanal zu geistern scheint.
Auf geht’s, ab geht’s, drei Tage Stand! Auch für dieses Jahr haben wir es im Norden wieder geschafft.
Glücklicherweise konnten wir am Freitagvormittag noch im Trockenen aufbauen, brauchten aber aufgrund plötzlicher Erkrankung einer eingeplanten Person recht lange dafür. Den Tag über kam es immer wieder zu stärkeren Regenfällen. Der neue Pavillon hielt dicht, doch unter dem Tisch hatten wir teilweise einen kleinen Bach. Immerhin war es kaum windig.
Endlich steht der Stand! Jetzt nur noch die Buttons …
Am Samstag konnte die Fußgruppe (hier zwischen etwa 13’10“ und 13’20“ kurz zu sehen) bei Sonnenschein starten, kam dann aber gebadet bei uns an. Auch viele Besuchende trieften, dennoch war der Andrang nach der Demo wie üblich sehr groß. Beliebt war vor allem unser Glücksrad (mittlerweile haben wir ein eigenes) – so beliebt, dass irgendwann der Zeiger abbrach.
Da war es noch ganz.
Die Glücksrad-Fragen bieten stets einen guten Einstieg, um Missverständnisse aufzuklären und Vorurteile über Asexualität und Aromantik abzubauen. Das ist auch nötig. Die Aussage „Oh, das ist aber schade, Sex ist doch so etwas Schönes“ kam gleich zweimal. Eine Person fragte, ob asexuelle Menschen denn besonders schöpferisch seien, schließlich müsse die sexuelle Energie ja irgendwohin umgeleitet werden. In meinem Kopf formte sich automatisch die Antwort: Mir kompensieret nix!
Die positiven Erlebnisse haben jedoch auch in diesem Jahr die negativen aufgewogen. Viele Menschen stellten interessierte und respektvolle Fragen und nahmen sich Informationsmaterial mit. Einige Aces und Aros konnten wir auf den Hamburger Stammtisch oder Aspec*German verweisen. Personen, die sich noch unsicher sind, freuten sich über die Kölner Broschüre.
Im Grunde bot der Sonntag die besten Voraussetzungen für Gespräche mit Besuchenden. Bei leichtem Regen herrschte leichter Betrieb ohne Gedränge. Die handgemachten Armbänder waren zum Schluss ebenso vergriffen wie die Vereins-Kugelschreiber, während von den Buttons viele übrig blieben. Allerdings haben wir auch den neu ins Sortiment aufgenommenen mit der demiromantischen Flagge ein paarmal verkauft.
Man beachte die prall mit Armbändern gefüllte Tüte oben rechts. Die war zum Schluss leer!
Vielen Dank an alle, die bei der Fußgruppe mitgelaufen sind, am Stand Schichten übernommen und/oder im Vorfeld gebastelt haben.
Meine persönlichen Erkenntnisse: Die Cola-Lutscher in Fußform mit Brausepulver schmecken super und die Queer-Chameleon-Comics sind extrem süß – nicht nur die zum Thema Asexualität.
Normalerweise brauche ich ja nicht gar so lange, einen Bericht zu verfassen. So richtig abgehakt ist die Stuttgart Pride für die Verfasserin dieser Zeilen allerdings nicht: Das Zelt versucht weiterhin, auf der Terrasse zu trocknen. Bei regelmäßigen heftigen Gewitterschauern mehr ein frommer Wunsch als Realität.
Aber von Anfang an …
Der Paradesamstag
Trotz schwäbischer Ordnungsliebe war es im Aufstellungsbereich etwas eng und Fahrzeuge standen auf den falschen Markierungen. Kurz vor Paradestart fing es dann an auch noch an zu regnen.
Ein Teil der Fußgruppe vor dem Start im Regen.
Das erste Drittel der Strecke legten wir daher gut beschirmt zurück. Danach zeigte sich die Sonne. Dadurch konnte wir doch ein paar Informationen und Sticker unters teils sehr interessierte Publikum bringen.
Die Demogruppe unterwegs.
Einige am Rand stehende ace und aro Personen sammelten wir im Lauf der Parade noch ein, sodass wir am Ende ein paar mehr Menschen waren als am Anfang.
Die Demogruppe nach der Parade.
Die etwas auffälligere Kostümierung kam beim Publikum ziemlich gut an. Wer weiß, wo die Fotos überall rumschwirren. Wenn ihr uns irgendwo entdeckt, sagt Bescheid!
Filmisch waren wir dieses Jahr nicht so prominent unterwegs wie anno 2024, wo wir es tatsächlich in die Tagesschau schafften.
Entdecken könnt ihr uns im Livestream zur Pride, allerdings nur der vor der Stuttgarter Zeitung & Stuttgarter Nachrichten bei YouTube. Ihr findet uns ab ca. 2:53:10. Der offizielle Stream der IG CSD Stuttgart litt leider unter einigen Schluckaufen, vielleicht auch wegen des Wetters.
Kaum waren wir zusammengepackt, fing es wieder an zu regnen, diesmal mit einer gute halbe Stunde Starkregen, die die Heimreise für einige feucht und wenig fröhlich gestaltete.
Sonntag mit Infostand
Was soll ich sagen? Es regnete bis um neun Uhr morgens. Ich fuhr bei Sonnenschein nach Stuttgart, wo wir das Zelt aufbauten. Dann regnete es. Es blieb eine gute Stunde trocken, bis es wieder eine gute halbe Stunde regnete. Um halb sechs fingen wir an zusammenzupacken, weil es laut Regenradar um 18 Uhr wieder anfangen sollte zu regnen. … Das Regenradar hatte recht.
Auf der Heimfahrt fuhren manche meiner Mithelfenden durch zwei weitere Gewitter.
Zwischen den Starkregenereignissen bekamen wir okay, aber nicht überragend viel Besuch, sodass neben dem Stand zumindest auch mein Gemüt etwas bedröppelt war.
Vielen Dank an alle, die an den beiden Tagen geholfen haben!
Wie üblich wird es am ersten Augustwochenende in Hamburg bunt – diesmal unter dem Motto „Wir sind hier, um zu bleiben. Queere Menschen schützen“.
AktivistA wird auch in diesem Jahr von Freitag bis Sonntag auf dem Straßenfest anzutreffen sein. Ihr findet unseren Infostand am Jungfernstieg in unmittelbarer Nähe des gleichnamigen U- und S-Bahnhofs. Neben den üblichen Goodies gibt es exklusiv bei uns im Norden wunderschöne Armbänder in Ace-, Aro- und anderen Farben, die ein engagiertes Mitglied liebevoll aufgefädelt hat.
Gibt es denn bei der Demo auch eine Fußgruppe? Ja. Angemeldet hat sie der Hamburger Stammtisch. Zugeteilt wurde ihr die Nummer 58 von 118, sie wird also etwa in der Mitte des Zuges zu finden sein.
Vor einigen Wochen habe ich versprochen, meinen eher nachdenklichen Redetext aus Pforzheim nachzureichen. Kurz, bevor sich der süddeutsche Teil des Vereins in die Stuttgart Pride stürzt, ist mir aufgefallen, dass das noch aussteht.
So ein Text fällt nicht vom Himmel. Zunächst hatte ich mich entschieden, nicht einfach politische Forderungen aufzustellen. Es war absehbar, dass andere auf der Bühne das tun würden. Nicht, dass wir keine politschen Forderungen hätten. Einige davon sind im Posting zum diesjährigen Internationalen Asexuality Day nachlesbar.
Gleichzeitig war mir klar, dass es nötig wäre, eine ace und aro Präsenz zumindest in Ansätzen zu erklären. Warum sind wir bei so einer Veranstaltung? Was trennt, was haben wir mit anderen Anwesenden gemeinsam? Wie viel Trennung wollen wir zulassen?
Diese Überlegungen wurden durch Lesestoff der letzten Monate befeuert. Daher ein paar Buchhinweise.
Zum einen Audre Lorde, die sowohl zum Thema Selfcare als auch zum Thema gewaltfreier Widerstand kluge Dinge geschrieben hat. Und zu einigen anderen Dingen auch. Die Aufsatzsammlung Sister Outsider ist äußerst empfehlenswert, auch wenn zeitbedingt trans Themen wenig vorkommen. Die deutsche Übersetzung ist bei Penguin/btb erschienen.
Cornelia Fleck hat Audre Lorde und andre Quellen genutzt, um in Queerfulness (beim Quer Verlag) Ideen für eine solidarische Protestkultur darzulegen. Ganz ohne Sara Ahmed, die in The Promise of Happiness aber zu ähnlichen Schlüssen kommt.
Und damit zum eigentlichen Text.
Über das Neinsagen: Textentwurf
Ich gehöre zu dem ziemlich lila Infostand da hinten: Das ist AktivistA, der Verein zur Sichtbarmachung des asexuellen Spektrums.
Als wir 2012/2013 mit Infoständen und Demogruppen angefangen haben, auf den CSDs in Stuttgart und Karlsruhe, und auch auf dem transgenialen CSD in Berlin-Kreuzberg, da waren viele andere Besuchende erst mal irritiert. Denn wenn ich es ganz kurz fassen müsste: Wir sind das Nein.
Nein, ich blicke nicht, warum mich die Genitalien anderer Menschen interessieren sollten, und ich habe keine Ambitionen, die anzufassen.
Nein, ich verstehe nicht, warum alle so auf romantische Paarbeziehungen abzufahren scheinen und irgendwen zu ihrem Ein und Alles erklären möchten.
Derartige Neins könnte ich noch ausdifferenzieren. Aber dafür ist die Redezeit zu kurz, und an unserem Infostand gibt es das alles auch zum Nachlesen.
Im Lauf der Zeit haben die meisten mit Fragezeichen in den Augen verstanden, dass unser Nein sich nicht so sehr von ihrem Nein unterscheidet.
Nein, in diesen Traum vom normalen Glück mit Hetero-Beziehung und allem, in den passe ich leider nicht rein. Ich brauche eine Maßanfertigung, gern in Lila, mit viel Glitzer und Pailletten.
Ich glaube, die meisten von uns wissen, dass solche Neins nicht einfach zu äußern sind.
Manchmal ist es zum Beispiel für Teenies der Weg des geringsten Widerstands, irgendeine hetero-genehme Schwärmerei zu erfinden, statt zu sagen: Ich steh nicht auf Mädchen. Oder: Ich steh nicht auf Jungs. Oder: Ich finde Jungs und Mädchen interessant. Oder: Ich blicke nicht, was ihr mit „heiß“ meint.
Genauso ist es einfacher, einen rassistischen, ableistischen, sexistischen oder queerfeindlichen Spruch wegzulächeln, statt zu sagen: Du trittst gerade nach unten, und das ist nicht witzig.
Solche Neins kosten Kraft.
Aber es gibt einen Grund, warum patriarchale Gesellschaften Frauen gern vereinzeln. Es gibt einen Grund, warum Nazis und Rechtsaußen und religiöse Fundis gegen CSDs protestieren und versuchen, uns aus dem öffentlichen Raum zu vertreiben:
Die haben Angst. Die haben Angst vor unserem Nein.
Kultur ist immer eine Sache der gesellschaftlichen Aushandlung, und genau diese Aushandlungen, diesen Diskurs wollen sie verhindern. Denn unsere bloße Anwesenheit enttarnt die Angst, die Pluralität, Veränderung und Mehrdeutigkeiten in ihnen auslösen. Unser Nein stört die Grenzen, die sie ziehen möchten. Diese sauberen Grenzen brauchen sie, um sich dann gut, sicher und gerecht zu fühlen und sich auf der obersten Stufe der Hierarchie breit zu machen.
Weil sie Angst haben, verbreiten sie Angst. Sie fabulieren Bedrohungen zusammen. Diese Märchen verpacken und verbreiten sie dann so geschickt, dass ungefähr 25 % Prozent des Wahlvolks in diesem Land ihre Vernunft und ihre Empathie ausschalten.
Und dann wollen sie uns noch einreden, dass es wieder besser würde, wenn nur LGB das TIQplus unter die Räder des Faschismus kommen ließe.
Mal ist die Angstmache von rechtsaußen und von religiösfaschistischer Seite sehr direkt, indem sie uns und unsere Lieben mit Worten und Taten bedrohen. So auch heute.
Und denen ist entlarvenderweise egal, welche Buchstaben wir benutzen.
In Anbetracht dieser Tatsache kann ich nur sagen: Danke, dass ihr trotzdem da seid und mit uns demonstriert!
Ich weiß, unsere Neins kosten Kraft, aber sie haben in der Vergangenheit was gebracht. Der allererste Christopher Street Day war ein Aufstand gegen die Obrigkeit, für den wir heute dankbar sind.
Auf Dauer bringt es aber nichts, Pflastersteine zurückzuwerfen: Zwischen verhärteten Fronten bleibt am Ende für alle nur ein Scherbenhaufen.
Ja, wir haben manchmal Angst. Und nein, lassen wir uns davon nicht kirre machen. Entscheiden wir uns für Solidarität statt Egoismus. Seien wir kreativ statt restriktiv. Und statt uns ins Ewiggestrige zurück zu wünschen: Seien wir bereit, die Zukunft mit radikaler Zärtlichkeit zu gestalten.
Danke!
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