Monat: Februar 2021

Grundgesetz für Alle: Jetzt mitzeichnen!

 

Für Eilige, die wissen, worum es geht: Mitzeichnen.

Moment, wie, Grundgesetz?

Die Fraktionen des Deutschen Bundestags beraten zurzeit über eine Änderung des Artikels 3, Absatz 3 Grundgesetz.

Wir erinnern uns, was da drinsteht:

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. (Quelle.)

Wieso ist das nicht „für alle“?

Als der Artikel entstand, erinnerte sich niemand an tausende von den Nazis verfolgte homosexuelle und trans Menschen. Der Paragraph des Strafgesetzbuchs, mit dem Männer verfolgt wurden, die Sex mit Männern hatten, wurde erst 1994 endgültig abgeschafft. Von einer rechtlichen Gleichstellung für alle sexuelle Orientierungen sind wir z.B. im Adoptionsrecht immer noch weit entfernt. Und dass sexuelle Minderheiten es nicht unbedingt einfacher haben, ist vielen von euch sicher am eigenen Leib bekannt. Unsere Gleichberechtigung ist also nicht ausdrücklich im Grundgesetz verankert. Das erlaubt den Gesetzgebenden, bei manchen Sachen nachlässig zu sein oder zu trödeln.

Ganz besonders heftig ist das bei trans und nicht-binären Personen — das Grundgesetz erkennt nur „Männer und Frauen“, und es darf nicht Auslegungssache bleiben, was „Geschlecht“ nun eigentlich bedeutet. Wie hoffentlich bekannt sein sollte, gibt es in ace Communitys einen hohen Anteil nicht-binärer Menschen.

Wir möchten, dass alle Menschen in unserer Community vom Grundgesetz geschützt sind. Deswegen ist AktivistA n.e.V. erstzeichnende Organisation von „Grundgesetz für Alle.“

Mitzeichnen?

Dann einfach zu grundgesetz-für-alle.de rüberklicken und Unterschrift druntersetzen. Damit alle merken, dass da endlich was passieren muss.

Unsichtbar, unsichtbarer, am unsichtbarsten? Aromantik, arospec und was besonders Aces wissen sollten.

Die Aromantische Flagge

Was geht mich das eigentlich an? Die persönliche Auseinandersetzung

Ich habe 2014 angefangen, mich als asexuell zu identifizieren. Vor etwa zwei Jahren habe ich dann auch mal intensiver über meine romantische Orientierung nachgedacht. Von gray-pan, über gray-aro bin ich inzwischen bei arospec oder aromantisch angekommen – welchen der beiden Begriffe ich bevorzuge, wechselt.

Aber so richtig habe ich mich erst im letzten Jahr mit Aromantik beschäftigt. Während dieses Prozesses habe ich schon unglaublich viel gelernt und bin immer noch dabei andere Dinge zu „ent-lernen“. Außerdem habe ich wieder die Erfahrung gemacht, über wie viele Sachen ich mir noch nie Gedanken gemacht habe oder habe machen müssen, weil sie mich nicht persönlich betreffen. Eine Folge dieses Lernprozesses ist, dass ich mich jetzt stärker dafür einsetze, dieses neu erworbene Wissen mit anderen zu teilen. Und was könnte eine bessere Gelegenheit dafür sein, als die morgen beginnende Aromantic Spectrum Awareness Week (ASAW) oder, wie ich sie im Folgenden nennen werde, die Aro Week.

Was ist die Aro Week?

Ähnlich wie die Ace Week Ende Oktober ist die Aro Week eine internationale Aktionswoche, um mehr Sichtbarkeit für Aromantik und das aromantische Spektrum zu schaffen. Sie findet jedes Jahr in der Woche nach dem Valentinstag statt. Und weil das Event ebenfalls in den USA initiiert wurde, beginnt die Woche am Sonntag, so dass sie dieses Jahr vom 21. bis 27. Februar geht.

Warum braucht es das?

In einem Wort: Sichtbarkeit! Sichtbarkeit bzw. das Fehlen davon, ist ein Problem, das in der Ace Community zur Genüge bekannt ist. Und auch wenn Asexualität noch weit von der Bekanntheit anderer queerer Identitäten entfernt ist, hat es in den letzten Jahren durchaus was bewegt. Die Zahl an Artikeln, Interviews, Podcasts, Abschlussarbeiten oder Vortragsanfragen ist merklich gestiegen. Ich habe in der Vorbereitung auf die Aro Week speziell nach deutschsprachigen Informationen, journalistischen Beiträgen oder anderem zu Aromantik gesucht und das Ergebnis dieser Recherche lässt sich nur als deprimierend beschreiben.

Die umfangreichste deutschsprachige Quelle zu allem, was mit Aromantik und dem aromantischen Spektrum zu tun hat, ist die deutsche Version der AUREA Internetseite. Die ist toll und informativ, das ist nicht das Problem. Aber es ist eben „nur“ die Übersetzung aus dem englischen Original. Und die Zahl der Artikel etc. zum Thema lässt sich an einer Hand abzählen.

Ich vermute mal, dass es eine gewisse Dunkelziffer gibt, von Beiträgen, die ich einfach nicht gefunden habe. Aber trotzdem bleibt die Bilanz verheerend. Wie sollen sich Menschen, die kein Englisch verstehen, zu einer Orientierung informieren, wenn es keine Informationen gibt? Oder wie sollen sie überhaupt darauf aufmerksam werden, wenn sie nicht einmal auf den Gedanken kommen, dass es da etwas gibt, worüber sie sich informieren könnten/sollten?

Was lässt sich da tun?

Jede einzelne Person kann ihren Beitrag dazu leisten, indem sie über das Thema spricht, schreibt, zeichnet, oder welche Kommunikationsform auch immer die bevorzugte ist. AktivistA möchte sich während der kommenden Woche solidarisch mit der aromantischen Community zeigen. Nicht zuletzt, weil einige von uns sich selbst als aromantisch oder auf dem aromantischen Spektrum identifizieren. Daher werden wir besonders über unsere Facebook Seite die Handvoll an deutschsprachigen Beiträgen teilen, die es bereits zu dem Thema gibt. Und auch ein paar Englische, um wichtige Lücken zu füllen.

Auch dieser Text soll ein Baustein sein, der hoffentlich für ein bisschen mehr Sichtbarkeit und Verständnis sorgt; und besonders asexuelle Menschen auf ein paar ace-spezifische Aspekte im Umgang mit Aromantik und dem aromantischen Spektrum aufmerksam macht.

Asexualität und Aromantik

Aspec ist eine Bezeichnung, die Aromantik und Asexualität, mit den dazugehörigen Spektren, umfasst. Sie bedeutet nicht, das eine Person sowohl aro, als auch ace ist.

Viele Aces haben im Zuge ihrer eigenen Identitätsfindung schon mal von Aromantik und dem aromantischen Spektrum gehört. Laut dem Community Survey von 2018 identifizieren sich sogar 32,1% als aromantisch, außerdem 14,9% als demiromantisch und 12,4% als grayromantisch. Es gibt also definitiv Überschneidungen zwischen den beiden Orientierungen. Das ist aber in gewisser Weise Fluch und Segen zugleich.

Gut ist, dass sich, wie gesagt, viele Menschen in der Ace Community der Existenz von Aromantik bewusst sind. Und dass auch viele ein bisschen was darüber wissen – oder auch ein bisschen mehr – oder sich selbst so identifizieren.

Stolpersteine speziell für Aces

Das Problem ist, dass die Perspektive von asexuellen-aromantischen Menschen (Aroaces) eine Spezielle ist. Aufgrund der asexuellen Identität sind die Erfahrungen und Bedürfnisse von Aroaces andere, als die von Menschen die allosexuell und aromantisch sind oder sich anderweitig nicht als asexuell verstehen.

Das war für mich so eine der Erkenntnisse des letzten Jahres. Natürlich wusste ich, dass es Menschen gibt – Menschen geben muss – die aromantisch und allosexuell sind. Das Split-Attraction-Model funktioniert schließlich in mehrere Richtungen. Aber trotzdem habe ich mir lange keine Gedanken darüber gemacht, wie sich das auf die Lebenswirklichkeit der Leute auswirkt.

Die wenigen Berührungspunkte, die ich vorher mit Aromantik hatte, waren innerhalb der Ace Community. Das Wenige, was ich vorher zu Aromantik gelesen hatte, kam ebenfalls von dort, oder waren Interviews etc. mit Menschen, die sowohl aromantisch als auch asexuell sind. Und ich bin nicht die einzige, der es so geht.

Eines der vielen Probleme bei der Wahrnehmung von Aromantik ist, dass das, was es an Informationen gibt, oft aus der Ace Ecke kommt. Vor allem das, was auch außerhalb der Aro Community – oder auch nur Teilen davon – wahrgenommen wird. Menschen die allosexuell und aromantisch (alloaro) sind, oder die ihre aromantischen Orientierung als zentral empfinden und ihre sexuelle Orientierung nicht näher bezeichnen wollen oder können (Unit Aro oder Non-SAM-Aro), werden dabei nicht repräsentiert. Ihre Erfahrungen unterscheiden sich häufig grundlegend von Aroaces.

Aufgrund dieser einseitigen Repräsentation gibt es, verständlicherweise, ein nicht zu unterschätzendes Maß an negativen oder zumindest ambivalenten Gefühlen gegenüber der Ace Community als Ganzes, egal ob Aroace oder Alloace. Zum Teil gerade gegen Aroaces, weil sie (bzw. wir) den Diskurs so dominieren.

Solidarität

Nun können Aces nichts für ihre Orientierung, egal ob aromantisch oder alloromantisch. Aber gerade aufgrund der personellen Überschneidungen und vieler Parallelen im Umgang mit der hetero-, sex- und romantiknormativen Mehrheitsgesellschaft, sind m.E. asexuelle Menschen, unabhängig ihrer romantischen Orientierung besonders in der Pflicht, sich solidarisch mit allen aromantischen Menschen zu zeigen.

Diese Solidarität erfordert, dass wir uns selbst kritisch betrachten. Sie erfordert, dass wir besser auf unsere Sprache achten.

In Ace Kreisen ist viel von „Allos“ die Rede, als Abgrenzung von allosexuellen und impliziert alloromantischen Menschen. Aber so eine Aussage über „Allos“ kann schnell despektierlich, verletzend und/oder ausschließend gegenüber Alloaros sein. Es sollte in solchen Situationen also darauf geachtet werden deutlich zu machen, wer genau gemeint ist.

Und auch die Ace Community ist nicht frei von Amatonormativität (d.h. der gesellschaftlichen Überzeugung, dass romantische Beziehungen grundsätzlich wichtiger/wertvoller als andere Arten von Beziehungen sind und dass alle Menschen diese unterhalten oder zumindest anstreben sollten).

Daher steht am Ende vor allem die Aufforderung, die kommende Aro Week zu nutzen, um sich selbst intensiver mit Aromantik und dem aromantischen Spektrum zu befassen. Und dann über die Woche hinaus dazu bei zu tragen, dass die ganze Vielfalt und Komplexität von Aromantik besser verstanden und sichtbarer wird.