Als Thema meines Vortrages bei der Konferenz AktivistA 2015 hatte ich mir das asexuelle Spektrum vorgenommen, weil es auf Deutsch sehr wenige Informationen dazu gibt. Die Vorrede und einige Hinweise zu Demisexualität finden sich in Teil 1.
Wichtig wie in Teil 1 auch: Ich spreche hier über eine Gruppe, zu der ich nicht gehöre. Sollten sich falsche Informationen eingeschlichen haben oder wichtige Hinweise fehlen, bitte ich um einen Hinweis.
— Edit Mai 2021: Mittlerweile sind einige Infos aus diesem Artikel überholt. Bitte besser unseren neuen Flyer zum Thema lesen! (Klick zur PDF.)
Teil 2: Der Graubereich
„Grau-Asexualität ist ein Begriff, um die sehr vielfältigen Erfahrungen zu beschreiben, wenn eine Person durch Asexualität ihre eigene Sexualität besser versteht, aber die Definition von Asexualität nicht genau erfüllt.“ (nach Pianicyst, 2013, Übersetzung der Autorin)
Der Graubereich kennt zahlreiche Bezeichnungen
Gray-A, grace, grau-asexuell, semisexuell …
Jene Personen empfinden entweder sehr selten sexuelle Anziehung, oder bestenfalls eine sehr unterschwellige Anziehung, oder etwas, das vielleicht sexuelle Anziehung sein könnte.
Da wir es hier also mit Leuten zu tun haben, für die sexuelle Anziehung bzw. das Verlangen nach sexueller Interaktion keine nützliche Beschreibung darstellen, beweist dies, dass sich wenigstens einige Gray-As nicht auf einem linearen Spektrum zwischen ace und allo verorten können.
Einige Gemeinsamkeiten von grau-asexuellen/Gray-A Menschen:
Zusammengetragen von Epochryphal, leicht gekürzt und übersetzt von der Autorin. Der zitierte Post bezieht auf Notizen, die 2014 bei der Konferenz in San Francisco für Asexuelle bei einer Diskussionsrunde zum Thema Demi/Gray gemacht wurden.
Verwirrung über sexuelle Anziehung:
Was ist das? Habe ich das schon einmal gespürt oder werde ich es wieder spüren? Ist das eine für viele Leute nützliche Idee, die ich aber als Begrenzung empfinde?
Aussagen über Anziehung bzw. das Verlangen nach sexueller Interaktion können nur an konkreten Beispielen festgemacht werden:
„Auf wen stehe ich?“ kann nur im Rückblick beantwortet werden, an Reaktionen auf bestimmte Personen. Keine abstrakten Fantasien, keine Möglichkeit, sich einen perfekt attraktiven Fantasiemenschen zusammenzuträumen. Muster müssen per Nachdenken gefunden werden, sie sind keine Erfahrungen „aus dem Bauch raus“.
Abneigung ist eine eindeutigere Empfindung als Anziehung:
Sammelt Erfahrungen von Abneigung und versucht, wie oben per Nachdenken, Muster zu finden. Keine Möglichkeit, ohne „Experiment“ herauszufinden, was sich mit wem angenehm anfühlt.
Gray-A Identität verändert die Wahrnehmung der eigenen Geschichte:
In wie weit ist die neue Identität ein Filter, mit dem eins sich Geschichten zu Erfahrungen ausdenkt? Wie würden diese Erfahrungen eingeordnet, wenn eins diese Information nicht hätte? Woher weiß eins, dass die eigene Sexualität nicht fluide ist oder sich verändert hat?
Was ist der Unterschied zwischen Anziehung und Neugier?
Wie kann eins das herausfinden, ohne anderen zu schaden? Wann muss eins anderen sagen, dass eins nur experimentiert und eine Wiederholung nicht garantiert werden kann?
Sexuelle Anziehung mit Aus-Knopf:
Kann die Anziehung/das Verlangen ausschalten, wenn es unangebracht ist, z.B. wenn es ein öffentlicher Rahmen ist, die interessante Person bereits in einer Beziehung hat, etc. Sind das bloß Hemmungen? Wo ist der An-Knopf? Wieso finden sich davon keine Beschreibungen? Können Allosexuelle das auch? Wie bewusst ist das?
Grau als vage, sich nicht festlegen müssen.
Die Ungenauigkeit der Beschreibung wird oft als Vorteil empfunden.
Weiterführende Informationen auf Englisch:
https://asexualagenda.wordpress.com/2012/08/08/many-ways-to-be-between/
https://asexualagenda.wordpress.com/2015/03/23/ambiguous-and-heading-nowhere/
Das „eins“ im Sinne des englischen „one“ klingt eher nach einer künstlichen Intelligenz, als nach einem üblichen Sprachgebrauch.
Trotzdem toller Artikel.
Ganz liebe Grüße
Üblicher Sprachgebrauch ist immer Gewohnheitssache …
Fand ich jetzt nicht so hilfreich… leider fühlt man sich im asexuellen Spektrum als Gray-A leicht ausgegrenzt, weil der erste Satz immer ist, dass Asexuelle Menschen seien, die überhaupt keine Anziehung zum anderen Geschlecht verspüren. Allerdings kann ich bei manchen Menschen schon eine Anziehung verspüren, ich hab bloß keine Lust sie näher kennenzulernen … wie ein Sensor der ein Magnetfeld spüren kann, aber selber davon nicht angezogen wird. Gibt leider kaum Informationen oder Resonanz dazu im deutschsprachigen Raum.
Wir versuchen unser Möglichstes, darauf hinzuweisen, dass es ein Spektrum gibt.
Leider stehen bei den Medien „Human Interest“-Geschichten im Vordergrund, heißt, sie bevorzugen, eine Person zu haben, die sie portraitieren können. Bislang haben sie Gray-As noch nicht für sich entdeckt, und wenn „asexuelle Menschen“ für ein Interview gesucht werden, melden sich logischerweise eher weniger Gray-As. Eine Zwickmühle.
Der Kommentar ist zwar schon lange her, aber was du beschreibst ist zu 100% mit der Definition von Asexualität als Abwesenheit eines Verlangens nach sexueller Interaktion kompatibel und liegt demnach nicht im Graubereich. Im Gegensatz zu obiger Beschreibung hat man bei einer vorhandenen Wahrnehmung von Anziehung nämlich kein Problem damit festzustellen wen oder was man (ggf. auch sexuell) attraktiv findet sondern entwickelt darauf basierend (unabhängig vom Verhalten des Gegenübers) schlicht keinerlei Handlungsmotivation.
Wo ist denn nun der „An-Knopf“?
Ich wollte mich nur mal bedanken, weil ich mich selbst in diesem Sprektum einordnen würde und es toll finde, dort auch mal was drüber lesen zu können 🙂 toll geschrieben!