Zunächst einmal: Wir wünschen euch allen einen guten, erfolgreichen Tag gegen Homo-, Bi-, Trans-, Inter- und Aspec*-Feindlichkeit! Ursprünglich als „Internationaler Tag gegen Homophobie“ gegründet, hat er in den letzten Jahren einige Buchstaben hinzugewonnen. Unser Beitrag heute wirft ein kleines Streiflicht auf Ace- und Aro-Feindlichkeit.

Allerdings: Queerfeindliche Positionen interessiert es nicht, ob eine Person ace, lesbisch, bi, schwul und/oder trans ist. Sie haben ihr festes Schema von der Welt und bestehen darauf, dass wir alle in die von ihnen genehmigten Ausstechförmchen passen. Ein paar von uns werden deshalb zum Beispiel in Heidelberg und Karlsruhe bei Veranstaltungen und Demos anwesend sein. Vielleicht findet ihr noch eine Veranstaltung in eurer Stadt, die ihr unterstützen könnt?

Für Menschen, die lieber nicht rausgehen, gibt es einen Vorleseabend auf dem Aspec*German-Discord-Server.

 

Wieso besteht ihr auf ein A in IDAHOBITA?

Und schon sind wir mittendrin im Thema. Feindlichkeit äußert sich zwar auch in tätlicher Gewalt, aber die Ursachen davon beginnen schon viel früher. Nämlich in den Köpfen.

So ist auch Feindlichkeit gegenüber ace und aro Menschen zuerst eine Frage von Einstellungen und Glaubenssätzen. Wie soll eine Gesellschaft beschaffen sein? Was macht einen Menschen aus, den wir als wertvoll anerkennen? Wenn Menschen davon ein enges Bild haben, versuchen sie häufig, ihre Version anderen aufzuzwingen.

Jede geschlechtliche, sexuelle und romantische Minderheit begegnet sowohl allgemeinen wie auch spezifischen Varianten von Queerfeindlichkeit.

Warum die Feindlichkeit gegen asexuelle und aromantische Menschen spezielle Formen annimmt, beschreiben die Begriffe Allonormativität und Amatonormativität.

Allonormativität und Amatonormativität

„Normativität“ bedeutet hier, dass ein bestimmter gesellschaftlicher Sachverhalt als „normal“ und wünschenswert gilt.

„Allo“ kommt von „allosexuell“. Damit sind Menschen gemeint, die nicht zum asexuellen Spektrum gehören. „Allonormativ“ beschreibt also die Annahme, dass alle Menschen sexuelle Anziehung kennen und diese Anziehung auch ausleben möchten.

„Amato“ meint Liebe und Zärtlichkeit. „Amatonormativ“ bedeutet, dass romantische Liebe und romantische Beziehungen als sehr wichtig und erfüllend eingestuft werden. Deshalb wird angenommen, dass alle Menschen eine romantische Beziehung suchen.

Menschen, die diese unausgesprochenen Erwartungen nicht erfüllen, erleben oft unerfreuliche Reaktionen. Zum Beispiel …

 

Pathologisierung

Pathologisierung bedeutet, dass etwas als „krank“ eingestuft wird, das gar nichts mit einer Krankheit zu tun hat. So nehmen viele Menschen an, dass ace und aro Menschen irgendwie krank seien, weil ihnen nach landläufiger Meinung etwas Wichtiges fehlt. Bei einem Coming-out werden ace und aro Menschen daher oft mit Diagnosen konfrontiert. Selbst wenn das nett gemeint ist, tut das weh. Es führt außerdem dazu, dass sich viele ace und aro Menschen als „kaputt“ wahrnehmen, bevor sie ihre Label finden. Sie haben dann solche Botschaften verinnerlicht.

Bis 2016 kam in Medienberichten über Asexualität sehr häufig eine Person aus der Medizin zu Wort, die über mögliche „Ursachen“ des vermeintlichen Mangels spekuliert. Heutzutage finden sich solche Vermutungen vor allem in den Kommentarspalten – prominenten Beispielen zum Trotz.

 

Infantilisierung

Infantilisierung bedeutet, dass Menschen als unreif oder kindlich dargestellt werden. In unserer Gesellschaft haben die „erste Liebe“, der „erste Kuss“, das „erste Mal“, Heiraten und Elternschaft einen festen Platz in Erzählungen vom Erwachsenenwerden. Wenn Menschen diesen Dingen keine Bedeutung beimessen oder diese Dinge nicht erlebt haben, werden sie oft als „unfertig“ oder unreif wahrgenommen. Ace und aro Menschen werden daher oft auf später vertröstet: „Ach, der/die Richtige kommt schon noch.“ Sie begegnen – wie andere alleinstehende Menschen auch – oft Fragen danach, wann sie denn endlich eine romantische Beziehung eingehen / sich häuslich niederlassen / für Enkelkinder sorgen, als sei dies der einzige Gradmesser für ein erfülltes Erwachsenenleben.

Invalidierung

Invalidierung bedeutet, dass etwas wertlos oder unwichtig gemacht wird. Sowohl Pathologisierung als auch Infantilisierung dienen oft dazu, Aussagen von asexuellen und aromantischen Menschen als unwichtig darzustellen. Dadurch kann sich das Publikum beruhigt zurücklehnen: Unreifen oder kranken Menschen muss man ja nicht glauben, was sie über ihre sexuelle oder romantische Orientierung sagen.

Eine andere Strategie ist, Aussagen über eine Orientierung als kurzfristig oder allgemein umzudeuten. „Das geht doch allen mal so.“ „Das ist doch nur eine Phase.“ „Das ist in deinem Alter doch normal.“ „Sexualität ist fluide. Das kann sich also noch ändern.“ Und so weiter.

All dies dient außerdem dazu, die Aussagen von Aces und Aros als weniger politisch erscheinen zu lassen.

Damit machen wir für heute Schluss, obwohl wir das Ende der traurigen Parade noch lange nicht erreicht haben. Ein Sachbuch über Ace- und Arofeindlichkeit ist (un)sichtbar gemacht von Annika Baumgart und Katharina Kroschel. Außerdem empfehlen wir die Podcastfolgen von InSpektren über A*spec-Feindlichkeit und Allonormativität.

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7 Comments on Zum IDAHOBITA* 2023

  1. „All dies dient außerdem dazu, die Aussagen von Aces und Aros als weniger politisch erscheinen zu lassen.“

    Tja dann habt ihr als „Politiker“ wohl ein internes Problem da (zumindest wenn man Umfragen wie dem Ace Community Survey glauben schenken will) im Bereich von knapp 90% der Asexuellen bzw. Personen in der Community selbst angeben an einer psychischen Störung oder Entwicklungsstörung zu leiden. Auch das Ausmaß an traumatischen Erfahrungen ist laut aller größerer Umfragen erschreckend hoch obwohl „Aces“ etwas weniger häufig traumatisiert sind als andere Subgruppen innerhalb der Community. Das deckt sich übrigens auch mit meinen eigenen online-Erfahrungen obwohl ich aktuell nur noch im Aven Chat aktiv bin. Dort gibt es exakt niemanden ohne entsprechende Probleme im Hintergrund.

    Tragisch aber das ist leider zumindest innerhalb der globalen online organisierten Community wohl tatsächlich die Realität.

    Was allerdings überhaupt keine Rolle spielt ist die ominöse HSDD. Laut Ace Community Survey 2019 denken z.B. nur 1% der Teilnehmer selbst daran zu leiden und lächerliche 0,1% haben eine entsprechende Diagnose bekommen.

  2. Ergänzung: Die hohe Schätzung von 90% resultiert nur wenn man psychische Störungen und Neurodivergenz zusammenfasst und auch „unsichere“ Personen laut Selbstzuschreibung mit einbezieht und von einer nur schwachen Überlappung der Gruppen ausgeht.

    Die realistische untere Schranke (eindeutigen Selbstzuschreibung) lag aber immerhin noch bei 40,7% für psychische Störungen und 28,3% für Neurodivergenz.

    • Jaa … ich frag mich grad, was du uns mit der Statistik sagen willst.
      Es ist rhetorisch halt doch ein Unterschied, ob Asexualität als Krankheit verkauft wird, um beispielsweise das eigene Weltbild zu stabilisieren, oder ob wir über Menschen reden, die zufällig asexuell sind und gleichzeitig psychische Schwierigkeiten haben oder neurodivergent sind.
      Zwei Paar Stiefel.
      Dass Aussagen von psychisch kranken Menschen oder neurodivergenten Personen häufig als nicht ernst zu nehmen betrachtet werden, ist zudem ein weiteres gesellschaftliches Problem.

  3. Umso stärker die Korrelation desto wahrscheinlicher wird eine Verbindung hergestellt und dann (natürlich unzulässiger Weise) eben auch Kausalität angenommen. Selbst Asexuelle bzw. in der Community aktive Personen vermuten ja oftmals einen Zusammenhang (siehe Umfragen zu Thema „Gründe für Asexualität“).

    Asexualität selbst wird aber deswegen ja nicht gleich als Krankheit verkauft sondern sie wird primär als Symptom oder Ausdruck einer anderen Problematik bzw. anderer Eigenschaften (die aber auch nicht zwingend negativ sein muss) betrachtet. Die Motive dafür können natürlich sehr unterschiedlich sein aber wenn das eine uniformierte Person macht sehe ich eigentlich keinen Grund deswegen gleich von einer Verschwörung gegen alles „Andersartige“ auszugehen. Gerade wenn das im Internet und erst recht wenn es auf social media passiert, wo ja bekannter Maßen primär kurzlebige Emotionen ausgetauscht werden, die dann nicht unbedingt viel über das Verhalten der jeweiligen Personen in der Realität aussagen müssen.

    Es kann natürlich sein, dass irgendwelche Spinner Asexualität trotz Kenntnissen zur Thematik ernsthaft als Krankheit betrachten oder sogar Konversationstherapien etc. pp. fordern (ich bin nicht im Bilde was in internationalen Kommentarspalten passiert aber wenn man Diktaturen wie den Iran oder Russland als Grundlage nimmt folgt natürlich nahezu zwingend der größtmöglich Wahnsinn) aber solche extremistischen Tendenzen werden in meinen Augen gerade durch die Politisierung massiv verstärkt wenn nicht sogar durch die Politik selbst erschaffen. Ohne politischen Gegner gibt es aber auch keine Politisierung. Die Medaille hat also immer zwei Seiten weshalb ich es auch also absolut nicht erstrebenswert erachte wenn Menschen zumindest im medialen Sinne politisch sind.

    Wenn es also jemand schafft im Internet die Auseinandersetzungen zu entpolitisieren und vom Kopf auf die Füße zu stellen verdient er meinen höchsten Respekt ansonsten bleibt wohl nur der Rückzug aus diesen Welten wenn man sich den Schwachsinn nicht mehr antun möchte.

  4. Ich zB war in Therapie wegen Depression, suizidalen Tendenzen, und während der Aufarbeitung habe ich mehrfach versucht, meine Sexualität zu thematisieren als etwas, was mir große Probleme bereitet weil ich sie eben nicht verspüre, nicht definieren kann, ob ich mich eher zu Frauen als zu Männern hingezogen fühle, weil mir letztendlich immer das Begehren fehlt und Sex sich nur unterschiedlich überfordernd/ unangenehm anfühlt. Die Therapeutin hat mir jegliche Andeutung von Asexualität abgesprochen und immer wieder betont, dass es auch ihr immer wieder so ginge und viele PatientInnen, grade mit Depression, keinen Sex wollten. (Was ich verstehen kann, aber nicht mein Empfinden darstellt.)
    Ich fand das unheimlich frustrierend bzw hat es mich damals dazu verleitet, es weiter zu probieren (Spoiler: es funktioniert nicht und ich habe zeitweise ein ordentliches Alkoholproblem entwickelt, um „zu funktionieren“.)
    Wenn selbst die Therapie (noch?) nicht aufgeklärt und offen genug ist, fühlt es sich halt an wie ein Mangel/eine Störung – auch wenn ich es im Alltag nicht so wahrnehme!
    Bin froh, Seiten wie diese bzw Discord gefunden zu haben.

    • Das Thema Asexualität ist sicherlich nach wie vor nicht bekannt genug und wird ggf. auch nicht ernst genug genommen. Das ist aber etwas anderes als eine Pathologisierung von Asexualität.

      Pathologisierung wäre es grundsätzlich zu wissen was Asexualität ist, ihr aber als solcher einen Krankheitswert beizumessen, woraus dann wiederum die „Notwendigkeit“ einer Behandlung der Asexualität selbst resultieren würde.

      Unabhängig davon gibt es natürlich gute und schlechte Therapeuten, wie in jedem anderen Bereich auch. Im konkreten Fall erscheint mir z.B. schon Depression als primäre Diagnose äußerst fraglich, da zumindest auf Grundlage der Beschreibung traumatische Beziehungserfahrungen bzw. traumatische sexuelle Erfahrungen eine nicht unerhebliche Rolle zu spielen scheinen.

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