Wie angekündigt fand mein Vortrag beim Lady*fest Karlsruhe letztes Wochenende statt. Die frühen Vorträge ab elf Uhr hatten, so weit ich das überblicke, beide ein Publikum von etwa zwölf Menschen, was sich im Laufe des Tages geschätzt verdoppelte. Insofern hätte ich der Veranstaltung mehr Besucher*innen gewünscht.
Da dies das erste Lady*fest war, an dem ich teilnehmen durfte – und dann noch gleich als Referentin – habe ich eine Menge von den anderen Anwesenden gelernt, also bei geschätzten fünfundreißig Grad Celsius nicht umsonst geschwitzt. Allerdings habe ich nicht das gelernt, was ich erwartet hatte. Glücklicherweise verteilte sich das Gelernte nicht nur auf meinen Vortrag. Trotzdem wartete dieser Text eine Woche auf Fertigstellung, weil ich das ganze Drama zunächst verdauen musste.
Als da wären:
- Gelegentlich verzapfe ich Unsinn oder bin verletzend, ohne das zu wollen.
- Meine Kritikfähigkeit diesbezüglich ist okay, könnte aber im persönlichen Gespräch noch besser sein. Schriftlich habe ich als introvertierte Person den Luxus, nicht sofort antworten zu müssen und recherchieren zu können. Das geht vor Zuschauer*innen natürlich nicht.
- Argumente sollte ich ausformulieren, bevor ich sie vortrage, ansonsten könnten sie als Vorwürfe an andere marginalisierte Gruppen verstanden werden.
- Weshalb mir aber Dinge vorgeworfen werden dürfen, die ich anderen nicht vorwerfen darf, bleibt ein Rätsel.
- Bei Veranstaltungen dieser Art kommt es häufig vor, dass Menschen mit unterschiedlicher Vorbildung anwesend sind, aber in der Regel sind alle da, um etwas zu lernen. Leider(?) halten nicht alle Personen ohne Vorbildung grundsätzlich den Mund, weshalb dann Punkt 1 greift: Irgendwer verzapft Unsinn oder ist verletzend, ohne das zu beabsichtigen.
- Es ist legitim, Personen darauf aufmerksam zu machen, dass das, was sie da gerade gesagt haben, nicht so gut war. Selbige Praxis nennt sich im Übrigen Call-Out.
- Die Sinnhaftigkeit, im Namen einer Partei beleidigt zu sein und beleidigend zu werden, zu der eine*r nicht gehört, darf allerdings bezweifelt werden. In der Regel kommt es dann zu einer Art emotionalen Kernschmelze, was ein sachliches Gespräch unmöglich macht, und die Person, die verletztend war, lernt nichts dazu.
- Wer einen Call-Out verursacht, ohne selbst verletzt worden zu sein, sollte meines Erachtens bereit sein, hilfreiche Links/Hinweise zur Verfügung zu stellen oder wenigstens für ein Gespräch zur Verfügung stehen. Ich war eigentlich der Meinung, dass die Praxis auch dafür erfunden wurde …
- Sofern es sich dabei um Teilnehmer*innen eines Workshops oder Vortrags handelt, den ich leite, ist es mein Job, einzugreifen, bei Bedarf eine Auszeit zu verhängen bzw. auf den sprichwörtlichen Tisch zu hauen und den Leuten zu vermitteln, dass sie bitte jetzt den Mund halten sollen. Danach kann ich mich um di*en verletzten Teilnehmer*in kümmern und di*em Teilnehmer*in, di*er verletzend war, erklären, warum das gerade nicht gut war, sofern es di*er Verursacher*in des Call-Outs nicht getan hat.
- Es ist in diesem Fall nicht die Aufgabe di*er verletzten Teilnehmer*in, die Erklärung zu geben.
- Weiter als ans seichte Ende des queerfeministischen Pools werde ich nicht waten. Meinen Job sehe ich weiterhin eher darin, Inhalte an Menschen zu vermitteln, die wenig bis keine Ahnung vom Thema haben.
Und ich dachte, ich lerne was über Körpersprache und das feministische Potential von Handarbeit …