Lady*fest Karlsruhe: Rekapitulation

Wie angekündigt fand mein Vortrag beim Lady*fest Karlsruhe letztes Wochenende statt. Die frühen Vorträge ab elf Uhr hatten, so weit ich das überblicke, beide ein Publikum von etwa zwölf Menschen, was sich im Laufe des Tages geschätzt verdoppelte. Insofern hätte ich der Veranstaltung mehr Besucher*innen gewünscht.

Da dies das erste Lady*fest war, an dem ich teilnehmen durfte – und dann noch gleich als Referentin – habe ich eine Menge von den anderen Anwesenden gelernt, also bei geschätzten fünfundreißig Grad Celsius nicht umsonst geschwitzt. Allerdings habe ich nicht das gelernt, was ich erwartet hatte. Glücklicherweise verteilte sich das Gelernte nicht nur auf meinen Vortrag. Trotzdem wartete dieser Text eine Woche auf Fertigstellung, weil ich das ganze Drama zunächst verdauen musste.

Als da wären:

  1. Gelegentlich verzapfe ich Unsinn oder bin verletzend, ohne das zu wollen.
  2. Meine Kritikfähigkeit diesbezüglich ist okay, könnte aber im persönlichen Gespräch noch besser sein. Schriftlich habe ich als introvertierte Person den Luxus, nicht sofort antworten zu müssen und recherchieren zu können. Das geht vor Zuschauer*innen natürlich nicht.
  3. Argumente sollte ich ausformulieren, bevor ich sie vortrage, ansonsten könnten sie als Vorwürfe an andere marginalisierte Gruppen verstanden werden.
  4. Weshalb mir aber Dinge vorgeworfen werden dürfen, die ich anderen nicht vorwerfen darf, bleibt ein Rätsel.
  5. Bei Veranstaltungen dieser Art kommt es häufig vor, dass Menschen mit unterschiedlicher Vorbildung anwesend sind, aber in der Regel sind alle da, um etwas zu lernen. Leider(?) halten nicht alle Personen ohne Vorbildung grundsätzlich den Mund, weshalb dann Punkt 1 greift: Irgendwer verzapft Unsinn oder ist verletzend, ohne das zu beabsichtigen.
  6. Es ist legitim, Personen darauf aufmerksam zu machen, dass das, was sie da gerade gesagt haben, nicht so gut war. Selbige Praxis nennt sich im Übrigen Call-Out.
  7. Die Sinnhaftigkeit, im Namen einer Partei beleidigt zu sein und beleidigend zu werden, zu der eine*r nicht gehört, darf allerdings bezweifelt werden. In der Regel kommt es dann zu einer Art emotionalen Kernschmelze, was ein sachliches Gespräch unmöglich macht, und die Person, die verletztend war, lernt nichts dazu.
  8. Wer einen Call-Out verursacht, ohne selbst verletzt worden zu sein, sollte meines Erachtens bereit sein, hilfreiche Links/Hinweise zur Verfügung zu stellen oder wenigstens für ein Gespräch zur Verfügung stehen. Ich war eigentlich der Meinung, dass die Praxis auch dafür erfunden wurde …
  9. Sofern es sich dabei um Teilnehmer*innen eines Workshops oder Vortrags handelt, den ich leite, ist es mein Job, einzugreifen, bei Bedarf eine Auszeit zu verhängen bzw. auf den sprichwörtlichen Tisch zu hauen und den Leuten zu vermitteln, dass sie bitte jetzt den Mund halten sollen. Danach kann ich mich um di*en verletzten Teilnehmer*in kümmern und di*em Teilnehmer*in, di*er verletzend war, erklären, warum das gerade nicht gut war, sofern es di*er Verursacher*in des Call-Outs nicht getan hat.
  10. Es ist in diesem Fall nicht die Aufgabe di*er verletzten Teilnehmer*in, die Erklärung zu geben.
  11. Weiter als ans seichte Ende des queerfeministischen Pools werde ich nicht waten. Meinen Job sehe ich weiterhin eher darin, Inhalte an Menschen zu vermitteln, die wenig bis keine Ahnung vom Thema haben.

Und ich dachte, ich lerne was über Körpersprache und das feministische Potential von Handarbeit …

Ankündigung: Vortrag beim Lady*fest Karlsruhe

Beim Lady*fest Karlsruhe wird es von mir auch einen Vortrag über Asexualität geben:

Asexualität – was ist das und warum sollte mich das interessieren?

Asexualität ist eine seltene und oft missverstandene sexuelle Orientierung. Dafür hat sie aber eine Menge Denkanstöße zu bieten. Wer ahnt schon, dass manche Leute einen Unterschied zwischen romantischer und sexueller Orientierung machen? Wie geht eine Minderheit mit Intersektionalität und Untergruppen um, und was können wir daraus lernen? Der Vortrag versucht, einen Überblick über den derzeitigen Diskurs zu bieten und hat hinterher Platz für Fragen und Diskussionen.

Z10, Zähringerstraße 10, Karlsruhe

11:00-12:45 Uhr

09.08.2015

Eine tropische Angelegenheit: CSD Freiburg 2015

Am Samstag, den 18. Juli war AktivistA mit einem Infostand auf dem CSD Freiburg präsent. Die erste halbe Stunde regenete es, sodass wir, nachdem dann doch die Sonne herauskam, in entsprechendem Dampf standen, der nur durch die Bäume auf dem Stühlinger Kirchplatz etwas gemildert wurde.

Von 13 Uhr bis kurz nach 15 Uhr konnten wir etwa ein Dutzend längere Gespräche führen und doppelt so viele Broschüren verteilen. Eine Journalistin von SWR2 hatte ihren Besuch angekündingt und führte ein nettes Interview mit uns, zwei weitere Journalistinnen nahmen sich Infomaterial mit. Insgesamt erwiesen sich die Freiburgerinnen als relativ gut informiert, was auch den Sichtbarkeitsbemühungen unseres Kollegen geschuldet war.

Zwei ungewöhnliche Reaktionen müssen hier aber doch erwähnt werden:

„Das liegt aber nicht an der Größe, oder?“

Eine Nachfrage bestätigte, dass di*er Betreffende tatsächlich die mangelnde Größe von Genitalien als Ursache von Asexualität vermutete, nach dem Motto: Die wollen zwar, aber können aufgrund ihrer Konfiguration nicht. Tatsächlich ist es aber so, dass die meisten von uns zwar könnten, aber nicht wollen.

Eine weitere Person wetterte über die Allgegenwärtigkeit von Sex in der Medienlandschaft und Öffentlichkeit. Leider können wir hier nicht weiterhelfen: AktivistA ist kein Verein zur moralischen Verbesserung(?) und wird zwar, wenn nötig, Sexismus ansprechen, aber sicher keine*n ermahnen, nicht nur an „das Eine“ zu denken. AktivistA versucht lediglich die Sichtbarmachung einer seltenen sexuellen Orientierung.

Nach fünfzehn Uhr gab es kaum noch etwas zu tun, denn fast alle, die sich vorher auf dem Platz getummelt hatten, zogen mit der vierstündigen Demoparade durch die Innenstadt.

Leider lud der Stühlinger Kirchplatz selbst nicht zum Verweilen ein, weil nur der Dönerstand drei Bierbänke mit Sitzgelegenheiten aufgebaut hatte. Alle anderen mussten mit den wenigen Bänken oder der feuchten, sonnenbeschienenen Wiese vorlieb nehmen. Zurück blieben neben uns noch einige andere gelangweilte Standbesetzungen, sodass wir gegen 18 Uhr zusammenpackten und uns auf den Weg zurück nach Norden machten.

Latschen für die Sichtbarkeit

Gestern, am 27. 6. 2015, fand der Berliner CSD statt und auch in diesem Jahr war eine asexuelle Fußgruppe am Start.
Am vereinbarten Treffpunkt stellten sich drei Mitglieder von AktivistA und vier weitere Personen mehr oder weniger pünktlich ein. Nach einigem Gerenne erreichten wir den vorderen Teil des Zuges, der für Fußgruppen reserviert war, und fanden uns in Nachbarschaft von ENOUGH is ENOUGH und dem Bisexuellen Netzwerk wieder. Der Himmel war die meiste Zeit über bedrohlich dunkel, nass wurden jedoch weder wir noch die kostbaren Flyer. Was den Papierkram betrifft, hatten wir die benötigte Menge dieses Jahr annähernd richtig geschätzt (nachdem es im letzten Jahr bei Weitem nicht gereicht hatte), am Ende blieb ein kleines Bündelchen übrig.
Bei den Reaktionen der Zuschauer_innen auf uns reichte die Skala von „Asexuell? Oah näh!“ über „Aber wir sind doch alle Menschen und derartige Kategorien sind überflüssig!“ bis hin zu „Ich möchte unbedingt einen Flyer von euch haben“. Eine positive Überraschung erwartete uns in der Nähe des Brandenburger Tors: Aus dem Publikum ragte eine asexi Flagge auf und die Menschen am unteren Ende der Stange schlossen sich uns für den letzten Teil der Strecke spontan an. Es handelte sich um eine weitere Handvoll asexueller Menschen mit heterosexueller Ally-Begleitung und mit passenden Outfits.
Im Folgenden ein paar Bilder:

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Asexualität und das queere Spektrum

Immer wieder erreichen uns diese und ähnliche Fragen:

  • Warum seid ihr auf Christopher Street Days präsent?
  • Warum gehört ihr zum Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg?
  • Meint ihr, dass das A in der „Buchstabensuppe“ (LGBTQIA) für „asexuell“ steht?

Zugrunde liegt die Frage, ob Asexualität sich in queeren Zusammenhängen engagieren „darf“ beziehungsweise sollte.

Darüber sind sich größere Gruppen von Asexuellen häufig nicht einig.

Asexuelle, die eine heteroromantische Partnerschaft anstreben, welche von außen nicht von einer traditionellen Partnerschaft mit Sex zu unterscheiden ist, setzen sich mit der Frage selten auseinander oder sehen keinen Grund, sich unter den queeren Schirm einzuordnen.

Andere haben sich mit der Frage befasst, finden Asexualität aber entweder auf Christopher Street Days oder in der queeren Community allgemein fehl am Platze, da dort Sex einen zu großen Stellenwert hat.

AktivistA hat gegenwärtig folgenden Begriff des queeren Spektrums: Es handelt sich um Minderheiten, was Gender/Geschlecht, sexuelle Orientierung und romantische Ausrichtung anbelangt (GSRM).

Asexualität fällt als sexuelle Orientierung nach „Nichts“ oder als Abwesenheit einer sexuellen Orientierung unter die zweite Kategorie.

Dementsprechend teilen sich Asexuelle einige Erfahrungen mit anderen GSRMs:

  • Wir wissen, wie es ist, ein inneres und ein äußeres Coming-Out zu haben.
  • Wir wissen, wie es ist, unsichtbar zu sein.
  • Wir wissen, wie es ist, weder mitgemeint noch mitgedacht zu werden.
  • Wir wissen, wie es ist, mit unverschämten oder bevormundenden Fragen überhäuft zu werden. Beispiele finden sich in diesem Bingo.

Außerdem gibt es häufig Überschneidungen mit den gender- und romantischen Minderheiten:

  • Der Anteil von genderqueeren Personen, beziehungsweise von Personen mit nicht-binärem Gender[1] ist gemessen an der Gesamtbevölkerung unter Asexuellen relativ hoch. Geschätzt scheinen es mindestens fünf, eher zehn Prozent zu sein. In einer nicht-repäsentativen Umfrage in der englischsprachigen Community 2011 bezeichneten sich 10% der Teilnehmenden als explizit „transgender“ und weitere 10% waren sich nicht sicher.
  • Asexuelle unterscheiden aromantische von alloromantischen[2] Personen. Letztere sind solche, die romantische Anziehung empfinden (können) und/oder auf der Suche nach einer romantischen Partnerschaft sind, wie auch immer sie diese für sich definieren. Diskussionen online weisen darauf hin, dass die romantische Orientierung nicht immer mit der sexuellen Orientierung überlappt, also auch aromantische allosexuelle[3] Personen vorkommen.Wie die sexuelle Orientierung ist auch die romantische Ausrichtung vielfältig, kann außer „aro“ auch „hetero“, „homo“, „bi“, „pan“ sein, oder mensch trifft auf „Homo-Asexuelle“, „asexuelle Lesben“ etc. Je nachdem, wann die Person an der Diskussion um Identitäten teilgenommen hat oder wie viel Gewicht sie auf diese Unterscheidungen legt, sind die Eigenbezeichnungen andere.

    Hinzuzufügen ist nur, dass wir die romantische Orientierung wie die sexuelle Orientierung als ein Spektrum mit zahlreichen Graustufen sehen und keinesfalls als ein Entweder-Oder darstellen möchten.

  • Die asexuelle Community legt großen Wert darauf, dass jede*r selbst entscheiden muss, welche Begriffe si*er für sich verwendet. Insofern kann es vorkommen, dass eine Person sich neben asexuell auch als queer definiert oder eben bewusst nicht. Manche Menschen mit Asexualität als sexueller Orientierung bevorzugen auch die Selbstbezeichnung „queer“ ohne weitere Zusätze.

Aus beiden Gründen glauben wir, dass Asexualität bei anderen GSRMs unter dem queeren Schirm am besten aufgehoben ist.


[1] Nicht-binäre Gender. Die westliche Kultur geht in der Regel davon aus, dass es nur zwei Geschlechtsidentitäten gibt: „Mann“ und „Frau“. Personen, die sich außerhalb dieser zwei Möglichkeiten verorten, bezeichnen sich oft als „nicht-binär“ oder genderqueer. Eine kurze Einführung in Gender und gender-neutrales Sprechen für Neulinge befindet sich bei der Weltenschmiede.

[2] Alloromantische Menschen – Menschen, die nicht zum aromantischen Spektrum gehören.

[3] Allosexuelle Menschen – Menschen, die nicht zum asexuellen Spektrum gehören.

Vortrag: A_sexualität und a_sexueller Aktivismus in Deutschland

Am vergangenen Freitag war ich als Referentin bei dem Vernetzungstreffen des sympathischen Teams von Queere Bildung e.V. in der Nähe von Göttingen am Start. Dabei durfte ich einen Vortrag über A_sexualität und a_sexuellen Aktivismus in Deutschland halten, den ich nun als PDF-Format hier zur freien Verfügung stellen möchte.

Feedback bezüglich Design, Struktur und Sprache ist mir jederzeit willkommen! (tschellufjek@freenet.de)

Ein in die Präsentation integriertes Youtube-Video wird im PDF-Format nur als Bild angezeigt. Der Link zum Video befindet sich hier.

Bin ich asexuell?

„Hilfe, ich bin asexuell!“ „Ab wann ist man asexuell?“ „Woran erkenne ich, dass ich asexuell bin?“

Diese oder ähnliche Fragen werden Suchmaschinen und Ratgeberforen regelmäßig gestellt.

Die Antworten in Ratgeberforen, die mit dem Thema sonst wenig zu tun haben, erscheinen „Eingeweihten“ häufig wenig hilfreich, zumal, wenn die fragende Person unter zwanzig ist. In der Regel nützt es nichts, Personen, die jetzt unsicher sind, auf ein „sexuelles Erwachen“ irgendwann später zu vertrösten. Auch, nach Erklärungen in der Vergangenheit zu fahnden, stellt selten echte Hilfe für aktuelle Schwierigkeiten dar.

Bin ich asexuell? – Informationen

Falls jemand über eine Suchmaschine auf diesen Artikel gestoßen ist, möchten wir gerne auf folgende Informationsquellen hinweisen:

In unserer Broschüre, die hier als PDF verfügbar ist, wird ab Seite 7 darauf eingegangen.

Außerdem lohnt sich ein Stöbern im Vorstellungs-Unterforum des deutschen AVEN-Forums. Möglicherweise asexuelle und/oder aromantische Personen werden hier eine Fülle von Geschichten finden, die ihnen vage bis sehr bekannt vorkommen.

Englischsprachige Menschen finden hier eine Seite, die ebenfalls Fragen für Einsteiger*innen beantwortet.

Termine 2015

Auch dieses Jahr wird AktivistA auf verschiedenen CSDs anzutreffen sein, wenn nichts dazwischen kommt. Folgende Termine könnt ihr euch schon mal vormerken:

30.05.15Karlsruhe CSD-Familienfest (Infostand)

13/14.06.15Stuttgart CSD-Sommerfest (Infostand)

27.06.15Berlin CSD-Parade (Fußgruppe)

18.07.15Freiburg CSD (Infostand)

28.08.15AKTIVISTA 2015 (überregionales Treffen in Stuttgart)

Ihr seid natürlich herzlich dazu eingeladen, bei diesen Veranstaltungen vorbei zu schauen. Wir würden uns freuen!

Kuck mal, wer da bloggt

Hallo und willkommen auf dem neugeborenen Blog von AktivistA!

AktivistA ist ein 2012 gegründeter nicht eingetragener Verein mit Sitz in Karlsruhe, der sich der Sichtbarmachung von und der Aufklärung über Asexualität verschrieben hat. Asexuelle Menschen, die sich von keinem Geschlecht sexuell angezogen fühlen, müssen sich allzu oft anhören, dass sie an einer Störung leiden, dass ihre Orientierung nicht existiert und andere Nettigkeiten mehr und das möchten wir ändern.

Was wir konkret tun? In den vergangenen Jahren waren wir mehrfach bei CSDs in verschiedenen Städten am Start, entweder als Fußgruppe bei der Parade oder mit einem Infostand auf dem Straßenfest. Interessierte Menschen können wir mit informativen Flyern und Broschüren versorgen und wer dem eigenen Alltag eine asexy Note verleihen möchte, kann einen unserer schicken Buttons / Pins mitnehmen. Im letzten Jahr kam erstmals unser Glücksrad zum Einsatz und seit Neuestem haben wir auch einen Aufkleber im Angebot.

Auch in diesem Jahr haben wir eine Menge vor: Wir planen wiederum die Teilnahme an diversen CSDs und am letzten Augustwochenende wird es in Stuttgart ein überregionales Treffen für Asexuelle und Personen aus dem asexuellen Spektrum mit Vorträgen und anderen gemeinsamen Aktivitäten geben.

Über unser Tun und Treiben als Verein werden wir künftig auf diesem Blog berichten. Hier erfahrt ihr alle wichtigen Neuigkeiten.