Grundgesetz für Alle: Jetzt mitzeichnen!

 

Für Eilige, die wissen, worum es geht: Mitzeichnen.

Moment, wie, Grundgesetz?

Die Fraktionen des Deutschen Bundestags beraten zurzeit über eine Änderung des Artikels 3, Absatz 3 Grundgesetz.

Wir erinnern uns, was da drinsteht:

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. (Quelle.)

Wieso ist das nicht „für alle“?

Als der Artikel entstand, erinnerte sich niemand an tausende von den Nazis verfolgte homosexuelle und trans Menschen. Der Paragraph des Strafgesetzbuchs, mit dem Männer verfolgt wurden, die Sex mit Männern hatten, wurde erst 1994 endgültig abgeschafft. Von einer rechtlichen Gleichstellung für alle sexuelle Orientierungen sind wir z.B. im Adoptionsrecht immer noch weit entfernt. Und dass sexuelle Minderheiten es nicht unbedingt einfacher haben, ist vielen von euch sicher am eigenen Leib bekannt. Unsere Gleichberechtigung ist also nicht ausdrücklich im Grundgesetz verankert. Das erlaubt den Gesetzgebenden, bei manchen Sachen nachlässig zu sein oder zu trödeln.

Ganz besonders heftig ist das bei trans und nicht-binären Personen — das Grundgesetz erkennt nur „Männer und Frauen“, und es darf nicht Auslegungssache bleiben, was „Geschlecht“ nun eigentlich bedeutet. Wie hoffentlich bekannt sein sollte, gibt es in ace Communitys einen hohen Anteil nicht-binärer Menschen.

Wir möchten, dass alle Menschen in unserer Community vom Grundgesetz geschützt sind. Deswegen ist AktivistA n.e.V. erstzeichnende Organisation von „Grundgesetz für Alle.“

Mitzeichnen?

Dann einfach zu grundgesetz-für-alle.de rüberklicken und Unterschrift druntersetzen. Damit alle merken, dass da endlich was passieren muss.

Unsichtbar, unsichtbarer, am unsichtbarsten? Aromantik, arospec und was besonders Aces wissen sollten.

Die Aromantische Flagge

Was geht mich das eigentlich an? Die persönliche Auseinandersetzung

Ich habe 2014 angefangen, mich als asexuell zu identifizieren. Vor etwa zwei Jahren habe ich dann auch mal intensiver über meine romantische Orientierung nachgedacht. Von gray-pan, über gray-aro bin ich inzwischen bei arospec oder aromantisch angekommen – welchen der beiden Begriffe ich bevorzuge, wechselt.

Aber so richtig habe ich mich erst im letzten Jahr mit Aromantik beschäftigt. Während dieses Prozesses habe ich schon unglaublich viel gelernt und bin immer noch dabei andere Dinge zu „ent-lernen“. Außerdem habe ich wieder die Erfahrung gemacht, über wie viele Sachen ich mir noch nie Gedanken gemacht habe oder habe machen müssen, weil sie mich nicht persönlich betreffen. Eine Folge dieses Lernprozesses ist, dass ich mich jetzt stärker dafür einsetze, dieses neu erworbene Wissen mit anderen zu teilen. Und was könnte eine bessere Gelegenheit dafür sein, als die morgen beginnende Aromantic Spectrum Awareness Week (ASAW) oder, wie ich sie im Folgenden nennen werde, die Aro Week.

Was ist die Aro Week?

Ähnlich wie die Ace Week Ende Oktober ist die Aro Week eine internationale Aktionswoche, um mehr Sichtbarkeit für Aromantik und das aromantische Spektrum zu schaffen. Sie findet jedes Jahr in der Woche nach dem Valentinstag statt. Und weil das Event ebenfalls in den USA initiiert wurde, beginnt die Woche am Sonntag, so dass sie dieses Jahr vom 21. bis 27. Februar geht.

Warum braucht es das?

In einem Wort: Sichtbarkeit! Sichtbarkeit bzw. das Fehlen davon, ist ein Problem, das in der Ace Community zur Genüge bekannt ist. Und auch wenn Asexualität noch weit von der Bekanntheit anderer queerer Identitäten entfernt ist, hat es in den letzten Jahren durchaus was bewegt. Die Zahl an Artikeln, Interviews, Podcasts, Abschlussarbeiten oder Vortragsanfragen ist merklich gestiegen. Ich habe in der Vorbereitung auf die Aro Week speziell nach deutschsprachigen Informationen, journalistischen Beiträgen oder anderem zu Aromantik gesucht und das Ergebnis dieser Recherche lässt sich nur als deprimierend beschreiben.

Die umfangreichste deutschsprachige Quelle zu allem, was mit Aromantik und dem aromantischen Spektrum zu tun hat, ist die deutsche Version der AUREA Internetseite. Die ist toll und informativ, das ist nicht das Problem. Aber es ist eben „nur“ die Übersetzung aus dem englischen Original. Und die Zahl der Artikel etc. zum Thema lässt sich an einer Hand abzählen.

Ich vermute mal, dass es eine gewisse Dunkelziffer gibt, von Beiträgen, die ich einfach nicht gefunden habe. Aber trotzdem bleibt die Bilanz verheerend. Wie sollen sich Menschen, die kein Englisch verstehen, zu einer Orientierung informieren, wenn es keine Informationen gibt? Oder wie sollen sie überhaupt darauf aufmerksam werden, wenn sie nicht einmal auf den Gedanken kommen, dass es da etwas gibt, worüber sie sich informieren könnten/sollten?

Was lässt sich da tun?

Jede einzelne Person kann ihren Beitrag dazu leisten, indem sie über das Thema spricht, schreibt, zeichnet, oder welche Kommunikationsform auch immer die bevorzugte ist. AktivistA möchte sich während der kommenden Woche solidarisch mit der aromantischen Community zeigen. Nicht zuletzt, weil einige von uns sich selbst als aromantisch oder auf dem aromantischen Spektrum identifizieren. Daher werden wir besonders über unsere Facebook Seite die Handvoll an deutschsprachigen Beiträgen teilen, die es bereits zu dem Thema gibt. Und auch ein paar Englische, um wichtige Lücken zu füllen.

Auch dieser Text soll ein Baustein sein, der hoffentlich für ein bisschen mehr Sichtbarkeit und Verständnis sorgt; und besonders asexuelle Menschen auf ein paar ace-spezifische Aspekte im Umgang mit Aromantik und dem aromantischen Spektrum aufmerksam macht.

Asexualität und Aromantik

Aspec ist eine Bezeichnung, die Aromantik und Asexualität, mit den dazugehörigen Spektren, umfasst. Sie bedeutet nicht, das eine Person sowohl aro, als auch ace ist.

Viele Aces haben im Zuge ihrer eigenen Identitätsfindung schon mal von Aromantik und dem aromantischen Spektrum gehört. Laut dem Community Survey von 2018 identifizieren sich sogar 32,1% als aromantisch, außerdem 14,9% als demiromantisch und 12,4% als grayromantisch. Es gibt also definitiv Überschneidungen zwischen den beiden Orientierungen. Das ist aber in gewisser Weise Fluch und Segen zugleich.

Gut ist, dass sich, wie gesagt, viele Menschen in der Ace Community der Existenz von Aromantik bewusst sind. Und dass auch viele ein bisschen was darüber wissen – oder auch ein bisschen mehr – oder sich selbst so identifizieren.

Stolpersteine speziell für Aces

Das Problem ist, dass die Perspektive von asexuellen-aromantischen Menschen (Aroaces) eine Spezielle ist. Aufgrund der asexuellen Identität sind die Erfahrungen und Bedürfnisse von Aroaces andere, als die von Menschen die allosexuell und aromantisch sind oder sich anderweitig nicht als asexuell verstehen.

Das war für mich so eine der Erkenntnisse des letzten Jahres. Natürlich wusste ich, dass es Menschen gibt – Menschen geben muss – die aromantisch und allosexuell sind. Das Split-Attraction-Model funktioniert schließlich in mehrere Richtungen. Aber trotzdem habe ich mir lange keine Gedanken darüber gemacht, wie sich das auf die Lebenswirklichkeit der Leute auswirkt.

Die wenigen Berührungspunkte, die ich vorher mit Aromantik hatte, waren innerhalb der Ace Community. Das Wenige, was ich vorher zu Aromantik gelesen hatte, kam ebenfalls von dort, oder waren Interviews etc. mit Menschen, die sowohl aromantisch als auch asexuell sind. Und ich bin nicht die einzige, der es so geht.

Eines der vielen Probleme bei der Wahrnehmung von Aromantik ist, dass das, was es an Informationen gibt, oft aus der Ace Ecke kommt. Vor allem das, was auch außerhalb der Aro Community – oder auch nur Teilen davon – wahrgenommen wird. Menschen die allosexuell und aromantisch (alloaro) sind, oder die ihre aromantischen Orientierung als zentral empfinden und ihre sexuelle Orientierung nicht näher bezeichnen wollen oder können (Unit Aro oder Non-SAM-Aro), werden dabei nicht repräsentiert. Ihre Erfahrungen unterscheiden sich häufig grundlegend von Aroaces.

Aufgrund dieser einseitigen Repräsentation gibt es, verständlicherweise, ein nicht zu unterschätzendes Maß an negativen oder zumindest ambivalenten Gefühlen gegenüber der Ace Community als Ganzes, egal ob Aroace oder Alloace. Zum Teil gerade gegen Aroaces, weil sie (bzw. wir) den Diskurs so dominieren.

Solidarität

Nun können Aces nichts für ihre Orientierung, egal ob aromantisch oder alloromantisch. Aber gerade aufgrund der personellen Überschneidungen und vieler Parallelen im Umgang mit der hetero-, sex- und romantiknormativen Mehrheitsgesellschaft, sind m.E. asexuelle Menschen, unabhängig ihrer romantischen Orientierung besonders in der Pflicht, sich solidarisch mit allen aromantischen Menschen zu zeigen.

Diese Solidarität erfordert, dass wir uns selbst kritisch betrachten. Sie erfordert, dass wir besser auf unsere Sprache achten.

In Ace Kreisen ist viel von „Allos“ die Rede, als Abgrenzung von allosexuellen und impliziert alloromantischen Menschen. Aber so eine Aussage über „Allos“ kann schnell despektierlich, verletzend und/oder ausschließend gegenüber Alloaros sein. Es sollte in solchen Situationen also darauf geachtet werden deutlich zu machen, wer genau gemeint ist.

Und auch die Ace Community ist nicht frei von Amatonormativität (d.h. der gesellschaftlichen Überzeugung, dass romantische Beziehungen grundsätzlich wichtiger/wertvoller als andere Arten von Beziehungen sind und dass alle Menschen diese unterhalten oder zumindest anstreben sollten).

Daher steht am Ende vor allem die Aufforderung, die kommende Aro Week zu nutzen, um sich selbst intensiver mit Aromantik und dem aromantischen Spektrum zu befassen. Und dann über die Woche hinaus dazu bei zu tragen, dass die ganze Vielfalt und Komplexität von Aromantik besser verstanden und sichtbarer wird.

Internationaler Tag der Asexualität

ITA Logo

Hallo!

Wir freuen uns, den Internationalen Tag der Asexualität, ITA (International Asexuality Day, IAD), bekanntzugeben zu dürfen; einer global koordinierten Kampagne im Zeichen des Engagements für, der Feier von, der Weiterbildung über und Solidarität mit Asexualität, die jährlich am 6. April gefeiert wird.

Der Internationale Tag der Asexualität feiert das asexuelle Spektrum in seiner Gesamtheit: Asexuelle, demisexuelle, grauasexuell und alle anderen asexuellen Identitäten und wurde dafür ins Leben gerufen, um die Arbeit von Ace-Aktivismusbetreibenden, insbesondere in nicht-englischsprachigen und / oder nicht-”westlichen” Ländern, zu verbreiten!

Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf lokalen Veranstaltungen und Aktionen, die von den jeweiligen Gruppen der Länder gestaltet wird. Unter https://InternationalAsexualityDay.org/de/ listen wir die Organisationen auf, die an der Planung beteiligt sind, zusammen mit Kontaktinformationen und wie sich beteiligt werden kann.

Video/Vortrag: Asexualität und Sprache

Im Rahmen der AktivistA 2020 hat Jonas Trochemowitz seine Forschungsarbeit zum Thema Sprache vorgestellt. Der Vortrag heißt: „Nein, Niemals, Nicht, Kein. Die Rolle der Negation in der Versprachlichung von Asexualität.“ Wie oft kommen Verneinungen in Texten über Asexualität vor? Was sind die Stärken und Schwächen der Verneinung?

„Nein“ hat Vor- und Nachteile

Über die Ambivalenz von Verneinungen haben wir auch in der Diskussion hinterher gesprochen.

„Nein“ ist einmal eine Stärke, denn es gibt uns die Möglichkeit, Erwartungen zu widersprechen.Wir können damit unsere Grenzen schützen — sofern andere unser „Nein“ nicht bewusst oder unbewusst ignorieren.

Zum anderen bezieht sich „Nein“ immer auf etwas, das ich verneinen kann. Es existiert also nur wegen der Sache, die es verneint. Bestätigt es gerade dadurch die herrschenden Annahmen?

Wir fragten uns, wozu Definitionen da sind. Gibt es in der Community eine andere Wahrnehmung von Verneinungen als von außen? Und kann es sein, dass „ace“ so beliebt ist, weil es eben sprachlich positiv ist?

Beziehungen führen ohne Nein?

Von da aus kamen wir auf das, was eine teilnehmende Person „Beziehungsbox-Modell“ nannte. Dafür werden sehr viele Unterkategorien (Boxen) aufgemacht. Alles, was den Menschen in einer Beziehung wichtig ist, bekommt ein eigenes Fach. Sex? (Welcher?) Zusammen kochen? Eine Interesse an …? (Ich könnte beispielsweise wohl kaum mit Menschen leben, die meine Büchersammlung nicht respektieren, dafür aber jede Nacht im gleichen Bett schlafen wollen.)

Dadurch werden Verneinungen vermieden. Die Beteiligten können ihre eigenen Gewichtungen der verschiedenen Boxen gegeneinander abwägen.

Weiterführende Links und Literatur

DasTenna empfahl „Sprache und Sein“ von Kübra Gümüşay. Außerdem neu erschienen ist Angela Chens „Ace: What Asexuality Reveals about Desire, Society, and the Meaning of Sex“. (Vor einiger Zeit haben wir eine kurze Besprechung gepostet.)

Von da aus streiften wir außereuropäische Überschneidungen. Alle Links auf Englisch.

Eine Betrachtung von Ehen unter Frauen in China vor 1940.

Das Aze Journal kümmert sich gelegentlich auch um Konzepte aus älteren Kulturen.

Diverse Menschen aus Kanada, USA, Großbritannien, Deutschland und Israel beim International Panel der World Pride Asexuality Conference 2012.

Und ganz neu: Rassifizierte Menschen über Asexualität bei der UK Acesexuality Conference 2020. Die Person aus Indien hat Indian Aces mitgegründet.

A_sexualität: unglückliche Menschen in weißen Betten?

… Wenn man sich die Bebilderung bestimmter online verfügbarer Artikel zum Thema anschaut, scheint das so zu sein. Das hier abgebildete Hetero-Paar wirkt ratlos, jede:r leidet für sich, die beiden wenden sich voneinander ab. Noch deutlicher ist die Botschaft „jede:r für sich, keine Gemeinsamkeit“ auf dem für diesen Artikel ausgewählten Foto – zwei Paar Füße zeigen nach außen, was impliziert, dass die dazugehörigen Menschen einander den Rücken zudrehen.

Dabei sind die jeweiligen Artikel gar nicht einmal so schlecht, sie enthalten keine groben Fehlinformationen. Der erste schließt sogar mit den Worten „Sind beide Partner bereit, Kompromisse einzugehen, kann eine glückliche Partnerschaft gelingen.“ Halleluja! Danach sieht das Bild allerdings nicht gerade aus.

Passende Illustrationen für einen Artikel über A_sexualität zu finden, scheint gar nicht so einfach zu sein. Wenn es sich um ein Interview mit einer bestimmten Person handelt, kann man ein Porträt von ihr verwenden – vorausgesetzt, sie ist bereit, ihr Gesicht zu zeigen. Geht es um Homosexualität, nimmt man ein Bild von zwei Händchen haltenden Menschen des gleichen Geschlechts, aber wie zeigt man etwas, das NICHT ist? Bei A_sexuellen läuft im Bett nichts, kein Sex führt zu oder ist Symptom von Beziehungsproblemen, dies scheint der logische Weg zu sein, der zu Bildern wie den oben verlinkten führt.

Dabei sind Menschen aus dem asexuellen Spektrum keineswegs die ganze Zeit über unglücklich und frustriert – und ihre Partner:innen, so vorhanden, auch nicht unbedingt. Mangelndes Wissen kann zu Selbstzweifeln und Schwierigkeiten in der Beziehung führen; wer endlich einen Namen für das eigene Empfinden hat und sich mit ähnlich Empfindenden austauschen kann, fühlt sich in der Regel glücklich und erleichtert. Auch A_sexuelle können die Art von Pride, von Stolz kennen, die das Gegenteil von Scham und Verstecken ist. Das darf man auf Fotos ruhig sehen. Eine positive Stimmung kann auch ohne eine sexuelle Komponente vermittelt werden (siehe auch hier).

Welche Art von Illustrationen passt nun zu guten Texten rund um A_sexualität?

Mit Symbolen der Community wie der Flagge, Ass-Karten und Kuchen kann man nicht viel falsch machen, zumal wenn diese Dinge im Artikel erklärt werden. Fotos von Fußgruppen oder Infoständen auf CSDs zeigen, wie viel Spaß die Arbeit für mehr Sichtbarkeit machen kann. Dies als kleine Anregung für Journalist:innen. Und an alle Aces, die dies hier lesen: Wer schöne, zum Thema passende Bilder auf der eigenen Festplatte herumliegen hat, kann sie ja mit den entsprechenden Schlagworten versehen als Inspiration bei Pixabay, Shutterstock und Co hochladen.

Noch mehr Lesefutter: „Ace“ von Angela Chen

Vor einem guten Monat erschien auf Englisch ein Buch von Angela Chen namens „Ace – What Asexuality Reveals About Desire, Society and the Meaning of Sex“ (Beacon Press Boston, ISBN 978-0-8070-1379-3).

Da ich mir ja zur Aufgabe gemacht habe, beim Thema Asexualität wenigstens halbwegs auf de aktuellen Stand zu sein, habe ich es gekauft, und als Abschluss der Ace Week für euch eine Meinung dazu verfasst.

Wobei ich sagen muss, dass mich sonst das Cover mit diesen Flecken (Buntpapierfetzen wie früher im Kunstunterricht?) ein wenig abgeschreckt hätte. Mit dem Inhalt hat es jedenfalls erst nach einer Pause zum Nachdenken zu tun.

Kurze Inhaltsübersicht

Der Text liest sich sehr flüssig. Ausgehend von eigenen Erfahrungen hat Angela Chen einige Dutzend andere Aces interviewt und deren Geschichten in Fragestellungen an die US-Gesellschaft verwandelt:

Schadet die allgemeine Erwartung, dass Männer immer super versessen auf Sex seien, genau dieser Personengruppe?

Hat uns die sexuelle Befreiung uns wirklich freier gemacht?

Inwieweit haben wir Überschneidungen mit Vorurteilen gegenüber rassifizierten Menschen, Menschen mit BeHinderung, und religiösen Stereotypen?

Was bedeutet eigentlich „romantisch“? Wo ist die Grenze zwischen Romanzen und Frenudschaft? Und wieso ist Sex ein Maßstab bei der Bewertung, wie wichtig eine Beziehung sein darf?

Was ist „compulsory sexuality“ (Sexnormativität) und was ist hermeneutische Ungerechtigkeit? Wie verhindern unsere Vorstellungen von Sex und dem, was Menschen wollen, dass Menschen eben nicht das tun (oder lassen), was sie möchten?

Das alles bereitet Chen informativ und verständlich auf.

Sehr tröstlich ist auch die Einflechtung der verschiedenen Lebensgeschichten. Obwohl ich genug Aces kenne, tut es immens gut, ein paar Fragen und Probleme gespiegelt zu sehen, die ich auch schon hatte.

Mehr Kompendium als Erleuchtung

Der Witz ist, dass ich dieses Buch nicht unbedingt gebraucht hätte, und da werden manche ähnlich empfinden. Was Angela Chen zusammengetragen hat, wissen halbwegs aufmerksame Beobachtende der asexy Blogosphäre schon.

Ich selbst fand also in dem Buch sehr wenig neue Anstöße, sondern eher eine Zusammenfassung von klugen Gedanken, die ich bei oder dank der Asexual Agenda schon gelesen habe. Damit will ich Angela Chens Fähigkeit, pointierte Fragen zu stellen und Dinge zu beobachten, gar nicht in Abrede stellen. Es wird Menschen im asexuellen Spektrum geben, die diese Diskussionen nicht so genau mitverfolgt haben oder viel später dazugestoßen sind, und die dieses Buch dann umso mehr schätzen werden. Außerdem hat eine gedruckte, zitierfähige Zusammenfassung von Online-Diskussionen immensen Wert.

Was ist eigentlich die Zielgruppe?

Einerseits steht das erklärte Ziel des Buchs schon auf dem Cover: Wie können die Lebensgeschichten asexueller Menschen helfen, besser zu verstehen, wie die westlichen Gesellschaften in Bezug auf Sex ticken? Was können wir alle gewinnen, wenn wir Dinge aus einer asexuellen Perspektive betrachten?

Das heißt, die Zielgruppe sind vornehmlich Menschen, die sich nicht als ace begreifen.

Andererseits bin ich mir nicht sicher, ob es gelungen ist, diese Zielgruppe anzusprechen.

Was es aber zu tun scheint, und da sind Sara von the notes which do not fit und ich einer Meinung mit diversen Menschen, die bei Amazon Rezensionen hinterlassen haben: Es ist hilfreich für unentschlossene Menschen und solche, die ein nagendes Unbehagen mit den Erwartungen spüren, die uns die Sexnormativität aufbürdet.

Brauche ich das?

Kommt drauf an.

Wer sowieso schon alles zum Thema gelesen hat und sich mit der eigenen Selbstbeschreibung als ace wohlfühlt, braucht es nicht unbedingt und folge weiterhin den relevanten Blogs.

Wer einen kurzen und knackigen Einstieg in die aktuellen Debatten sucht, ist hier genau richtig.

Ebenfalls sehr sinnvoll erscheint es für jene, die überlegen, ob sie sich ins asexuelle Spektrum verorten sollen oder wollen. Wir finden hier all die Selbstzweifel und Einwände, die in dieser Findungsphase am drängendsten sind.

Insofern hat Angela Chen auf jeden Fall etwas getan, das mich das Hütchen lüpfen lässt: Ein Ratgeberbuch verfasst, ohne einen einzigen Ratschlag zu verteilen.

 

Eine etwas andere Meinung zum Thema hat Ace Admiral.

 

Crosspost bei carmilladewinter.com, aktivista.net und Amazon.

Lesefutter Reloaded

Anlässlich der Ace Week wollen wir unsere Rubrik „Lesefutter“ reaktivieren. Passend auch zu dunklen Abenden, an denen es schön ist sich gemütlich mit einer Tasse Tee und einem Buch auf dem Sofa einzumummeln. Die heutige Buchvorstellung ist ein Gastbeitrag von Dorace vom Aspec*German Discord, die so freundlich war ein paar Eindrücke zu „Loveless“ von Alice Oseman mit uns zu teilen. Viel Spaß dabei!

Heute möchte ich mit Euch meine Gedanken zum Buch „Loveless” von Alice Oseman teilen. Bevor ich es selber in die Hand nehmen konnte, habe ich schon zahllose Erzählungen von anderen gehört und gelesen die davon berichteten, sich zum ersten Mal durch ein Buch zutreffend repräsentiert zu fühlen. Ich war absolut gespannt, das Buch zu lesen, und was soll ich sagen: ich wurde nicht enttäuscht!

Bei Loveless handelt es sich um einen YA Roman, die Charaktere sind junge Studierende, und die Protagonistin, Giorgia ist aromantisch asexuell. Es ist nicht das erste Buch von Oseman mit Aspec Charakteren, wobei es in Radio Silence (worüber ihr unten auch eine kurze Vorstellung lesen könnt), eher nur eine Nebensache war. In Loveless aber, wie der Titel auch schon andeutet, geht es explizit um Giorgia’s Suche nach ihrer romantischen und sexuellen Identität. Es ist dabei auch interessant zu wissen, dass Oseman selber aroace ist. Giorgia ist sogar nicht mal die einzige Aspec Person in der Geschichte – es gibt eine weitere, die aromantisch bisexuell ist. Aber auch die anderen Hauptcharaktere weisen eine große sexuelle und ethnische Diversität auf, wie das eigentlich typisch für Oseman ist.

Auf dem Weg zum Herausfinden ihrer Identität begeht Giorgia viele Fehler, und fühlt sich mit ihren Ängsten alleine. Ängste davor komisch, anders, „broken” zu sein, und vor allem vor der Einsamkeit, was die meisten Aspec Leser:innen wahrscheinlich sehr gut nachvollziehen können. Freundschaft spielt in dem Buch auch eine sehr große Rolle, es wird sogar nach meinem Empfinden als etwas viel Stärkeres und Wertvolleres (oder zumindest auf der gleichen Ebene) als eine romantische Beziehung dargestellt. Obwohl es sich hauptsächlich um Jugendliche zwischen 18 und 20 handelt, spiegelte es auch viele meiner Gefühle mit Mitte Zwanzig wider. Was mich an dem Buch am Meisten begeistert, ist der Gedanke, dass viele Teenager und Jugendliche vielleicht zum ersten Mal ein Buch in der Hand halten, in dem sie detailliert über A_sexualität und A_romantik lesen können. Hoffentlich kann das Buch einigen Menschen helfen zu verhindern, in die gleichen Fallen zu tappen wie Giorgia.

Ich kann das Buch allen Jugendlichen stark empfehlen, die auf der Suche nach ihrer Identität sind, die sich auf dem asexuellen und/oder aromantischen Spektrum befinden und sich in den mainstream YA Romanen nie wiederfinden können. Das Buch loht sich aber auch für allen anderen Altersgruppen und Menschen, die einfach A_sexualität und A_romantik und die darum existierende Struggles und Schwierigkeiten verstehen wollen.